Wasserstoff und Wärme

Welche Veränderungen fehlen noch?

Die Wasserstoffgewinnung (Power to Gas) und die Wärmeauskopplung (Power to Heat) aus Anlagen zur Energieerzeugung ist Grundbestandteil eines erneuerbaren Energiesystems und leistet den bei weitem größten Beitrag zur Flexibilisierung und Stabilisierung der Systeme. Wasserstoff ist dabei die Schlüsseltechnologie für den Einsatz erneuerbarer Energie in den Sektoren Wärme, Verkehr und Industrie.

1. Nötige Änderung im EEG

PtG muss bevorzugt in unmittelbarer Nähe der erneuerbaren Stromerzeuger erfolgen. Ein Netzausbau für PtG ist wirtschaftlich nicht sinnvoll, da PtG die Flexibilität für das Stromnetz bereits vor der Einspeisung bereitstellen soll. PtG schneidet aus der erneuerbaren Erzeugung die Spitzen heraus und wertet den Strom aus Windkraft- und Solaranlagen damit auf.

Die Sektorkopplung und damit auch die Wasserstoffherstellung oder Wärmeauskopplung direkt an der Erzeugung ist aber nach derzeitigem EEG erschwert, da der Verkauf von Energiespitzen an Dritte nur in „unmittelbarer räumlicher Nähe“ möglich ist. Um Sektorkopplung auch ausserhalb der Eigenversorgung zu ermöglichen, z.B. zur Lieferung von Windenergiespitzen an den nächstgelegen Ort zwecks Warmwassererzeugung für das Nahwärmenetz ist §21b wie folgt anzupassen:

“§21b Zuordnung zu einer Veräußerungsform, Wechsel

(1) 1. Anlagenbetreiber müssen jede Anlage einer der folgenden Veräußerungsformen zuordnen: 1.der Marktprämie nach § 20, 2. der Einspeisevergütung nach § 21, auch in der Form der Ausfallvergütung, oder 3. der sonstigen Direktvermarktung nach § 21a. Sie dürfen mit jeder Anlage nur zum ersten Kalendertag eines Monats zwischen den Veräußerungsformen wechseln.

(2) 1. Anlagenbetreiber dürfen den in ihren Anlagen erzeugten Strom prozentual auf verschiedene Veräußerungsformen nach Absatz 1 aufteilen; in diesem Fall müssen sie die Prozentsätze nachweislich jederzeit einhalten.

(4) Unbeschadet von Absatz 1 können Anlagenbetreiber

[….]

2. Netzentgelte

Strom vollständig oder anteilig an Dritte weitergeben, sofern

a)

diese den Strom in unmittelbarer räumlicher Nähe zur Anlage verbrauchen,

b)

der Strom nicht durch ein Netz durchgeleitet wird und

Denn für die meisten Lösungen zur Sektorkopplung muss ein Kabel über eine gewissen Entfernung bis zu einem Einspeisungpunkt in ein Wärmenetz oder Gasnetz verlegt werden, so daß generell unklar ist, ob dafür räumliche Nähe anzunehmen sei oder nicht.

Unter folgendem Link findet sich ein Vorschlag für Ergänzung der Experimentierklauseln für verbesserte Rahmenbedingungen bei der Sektorenkopplung: erzeugungsnahe Sektorenkopplung.

Die Beibehaltung des Vorranges für Erneuerbare Energieerzeugung bezüglich Netzeinspeisung und Netzanschluß ist solange sicherzustellen, bis genügend PtG-Anlagen existieren, welche die erzeugte Energie aufnehmen können.

2. Netzentgelte

Sofern PtG-Anlagen Strom über das öffentliche Netz beziehen, müssen sie die entsprechenden Netzkosten tragen. Das ist derzeit aber nicht so – Elektrolyseanlagen sind von Netzentgelten befreit. Diese Regelung muss sofort wieder abgeschafft werden, denn sie führt dazu, dass Elektrolyseure auch erzeugerfern über das öffentliche Netz betrieben werden können. 

Da aber der Transport von Wasserstoff durch das Gasnetz weniger als 10% gegenüber dem Stromtransport durch das Stromnetz kostet, droht hier eine gewaltiger volkswirtschaftlicher Mehraufwand für die Wasserstoffgewinnung. Auch wenn der Wunsch aus Teilen der Industrie, frühzeitig Elektrolyse aufzubauen ohne auf Wasserstoffleitungen zu warten, nachvollziehbar ist, darf das auf keinen Fall zu Stromtransporten über das öffentliche Netz hin zu Elektrolyseuren führen. Gasleitungen sind schnell und preisgünstig zu bauen – das kann also in jedem Fall abgewartet werden und ist die viel billigere Lösung.

Zu streichen sind: § 118 Abs. 6 EnWG.  Satz 7 und 8:  Die Sätze 2 und 3 sind nicht für Anlagen anzuwenden, in denen durch Wasserelektrolyse Wasserstoff erzeugt oder in denen Gas oder Biogas durch wasserelektrolytisch erzeugten Wasserstoff und anschließende Methanisierung hergestellt worden ist. Diese Anlagen sind zudem von den Einspeiseentgelten in das Gasnetz, an das sie angeschlossen sind, befreit.

3. Regulatorische Hürden 

Regulatorische Hürden für die Einspeisung von Wasserstoff in die Gasnetze müssen so schnell wie möglich abgebaut werden. Grenzen wie 2% an vielen Leitungen in Deutschland oder 0% in Tschechien sind ein massives Hindernis für eine wirtschaftliche Energiewende.

Die Einspeisung von erneuerbarem Wasserstoff ins Erdgasnetz ist durch die technischen Regelwerke (DVGW 260 und 262) mit einer Beimischungsquote im einstelligen Prozent-Bereich sehr beschränkt. Der Anstoß aus dem „Madrid Forum“ vom 16.-17. Oktober 2018, die Erhöhung des Wasserstoffanteils zu ermöglichen, sollte zügig weitergetrieben werden. Zitat von dort (Seite 3):

„Technische und Gasqualitätsaspekte der Energiewende

Änderungen des Gasqualitätsbereichs werden erwartet, da wachsende Mengen an Biomethan, synthetischem Methan und Wasserstoff eingespeist werden. Daher sollten erneuerbare und kohlenstoffarme Gase in die europäische Norm für H-Gasqualität einbezogen werden.“

4. Brennstoffzellen

Es bedarf einer zügigen Entwicklung der Brennstoffzellentechnologie, welche als einziger Energiewandler langfristig speicherbare Energieträger mit hohem Wirkungsgrad nutzen kann. Wasserstofffahrzeuge müssen mindestens ebenso vorangebracht werden, wie Akkumulatormobilität.

5. H2-Tankstellen

Das Netz von Wasserstofftankstellen in Europa muß zügig ausgebaut werden. Dabei muß gelten, daß der angebotene Wasserstoff 100% erneuerbar gewonnen werden muß. Die Versorgung dieser Tankstellen muß bevorzugt über direkte kurze elektrische Anbindungen an erneuerbare Erzeuger erfolgen, um Netzausbau und/oder LKW-Transporte für H2 zu vermeiden.

6. CO2-Preis

Durch eine angemessene CO2-Bepreisung muss sichergestellt werden, daß PtG-Produkte wirtschaftlich gegenüber Erdöl- und Erdgasprodukten werden. Die ungleiche Belastung von Energiearten mit Abgaben muß abgeschafft werden.

7. Treibhausgasminderungsquote

Gleichzeitig müssen strombasierte erneuerbare Kraftstoffe auf die Treibhausgasminderungsquote angerechnet werden. Einschränkungen, die die genutzten Technologien betreffen, darf es ebensowenig geben, wie eine Freistellung von Netzentgelten oder anderen technisch bedingten Kosten. Voraussetzung ist natürlich, daß die Systemdienlichkeit gegeben ist (Erbringung der nötigen Flexibilität, d.h. Betrieb mit weniger Volllasttunden als die zugrunde liegende erneuerbare Erzeugung, Direktleitung).

Für PtG muss die gleiche Mehrfachanrechnung von bezogenem Strom zur Bereitstellung von Energie in Brennstoffzellenfahrzeugen wie bei batterieelektrischen Fahrzeugen gelten (Technologieneutralität).

8. Begriffsbestimmungen für erneuerbare Energien

Strombasierte erneuerbare gewonnene Gase müssen in den Begriffsbestimmungen für erneuerbare Energien aufgegriffen und anerkannt werden. Dies betrifft insbesondere § 2 und 3 des Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG).

9. Weiteres

Mit Hilfe von PtG und Brennstoffzelle kehren sich die Verhältnisse zwischen Nutzenergie und Abwärme um – aus ca. 75% Verlusten im fossil befeuerten Energiesystem werden 75% Wirkungsgradim erneuerbaren Energiessystem. Dies wird durch die Ablösung des verlustreichen Carnot-Zyklusmöglich: Die Verluste aus Kühltürmen, Schornsteinen und Auspuffen verschwinden mit der Energiewende vollständig. Kraftwerke werden durch Windkraft und Solarenergie ersetzt, Verbrennungsmotore durch Elektromotoren, welche von Brennstoffzellen und Akkumukatoren gespeist werden.

Eine rein elektrische Welt ohne PtG ist technisch nicht vorstellbar. Nur mit speicherbaren Energieträgern kann die nötige Flexibilität im Stromnetz bei gleichzeitiger Nutzung von auftretenden Erzeugungsspitzen erreicht werden. Ein Energiesystem ohne PtG würde eine Erhöhung der Netzkapazitäten um das bis zu Zehnfache nach sich ziehen. Gleichzeitig müssten fossile Einheiten für Engpasszeiten vorgehalten werden. Mit PtG ist beides nicht nötig.

Der Netzausbau soll mittels PtG minimiert werden. Netzbetreiber müssen verpflichtet werden, PtG als Alternative zum Netzausbau in Betracht zu ziehen und den Betreibern von PtG-Anlagen angemessene Vergütungen für Flexibilität zu zahlen, sofern dies die Systemkosten senkt. Natürlich müssen die Flexibilitätsvergütungen für alle Anwendungen technologieoffen und wirtschaftlich gleichwertig sein.

PtG ist nicht wie oft vermutet, die teuerste Variante, Netzausbau zu vermeiden, sondern die billigste: PtG wird ohnehin benötigt. Offensichtlich ist PtG vor dem Netz billiger als mit Netzausbau. PtG bietet das größte Flexibilitätspotenzial von allen Sektorkopplungslösungen.

Mit dem Verschwinden der fossil befeuerten Kraftwerke übernimmt PtG die Bereistellung speicherbarer Energieträger für die gesicherte Leistung. Bilanziell fällt dies kostenmäßig kaum ins Gewicht, da dies bei hinreichendem Ausbau erneuerbarer Erzeuger nur wenige hundert Stunden im Jahr betrifft.

Die Erzeugung speicherbarer Energieträger über PtG ist in jeder Region der Welt wirtschaftlich möglich und sinnvoll, um Erzeugung und Verbrauch elektrischer Energie ins Gleichgewicht zu bringen. Ein Welthandel mit erneuerbar gewonnenen speicherbaren Energieträgern ist für die meisten Regionen vermutlich nicht sinnvoll, denn ihre Gestehungskosten liegen überwiegend unter den Transportkosten.

Die Nutzung von Bioenergie muß auf Abfallstoffe reduziert werden. Jedwede energetische Nutzung von extra dafür angebauten Pflanzen (Biogas, Rapsöl) sowie der Einsatz von Holz (ausser Holzabfälle) für energetische Zwecke muss unterbunden werden.

Nationale Fördersysteme für erneuerbare Energie und PtG müssen zulässig sein und dürfen nicht als Marktverzerrung disqualifiziert werden. Jedem Land in der EU muss freigestellt sein, erneuerbare Energie und PtG so stark wie möglich zu fördern. Nur so kann die erforderliche Geschwindigkeit und der nötige Wettbewerb der Technologien schnell erreicht werden. Zentrale Vorgaben engen die Technologieoffenheit unnötig ein.