Teilhabe und Akzeptanz

In den letzten Jahrhunderten fragte sich kaum jemand, wie er an der Energiewirtschaft teilhaben könnte – und das obwohl das geflügelte Wort „der hat Kohle“ jedermann mit der Nase darauf stieß, dass dort viel Geld zu verdienen sei. Heute ist Teilhabe eines der häufigsten Worte im Zusammenhang mit der erneuerbaren Energien und obwohl dort weniger Geld zu verdienen ist, als noch immer mit Kohle, Öl und Gas. Was aber bedeutet Teilhabe an der Energiewende?

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Zu Beginn des Ölzeitalters war Energie sehr teuer. Sie war nur durch Muskelkraft oder das ebenfalls Muskelkraft erfordernde Sammeln oder Abbauen von Brennstoffen zu beschaffen. Als die Energiequellen plötzlich nur so aus der Erde quollen, ohne viel Mühe, erschien es den Menschen als ein Gottesgeschenk. Die teuflische Beigabe des Kohlendioxides war nur einigen Wissenschaftlern frühzeitig bewusst.

Heute nun, wo die erneuerbaren Energien ebenso sprudeln wie einst die Ölquellen, sie aber gleichzeitig nicht mehr so weit weg sind, sondern vor der Haustür oder hinter dem eigenem Garten gewonnen werden, erscheint die Frage nach Akzeptanz und Teilhabe in völlig anderem Licht. Und einige meine auch, dass doch genug Energie da sei, im Gegensatz zu vor über 100 Jahren, und dass deren Ersatz durch Quellen vor ihrer Haustür nicht sein müsse. Wie erreicht man Akzeptanz für erneuerbare Energien und vor allem für Windkraft? Lösungsmöglichkeiten sind grün gekennzeichnet.

1. Arbeit in den Energieregionen

Das Wichtigste ist, dass die Menschen in der Umgebung der Anlagen das Gefühl haben, einbezogen zu sein und eine nützliche Art der Energiegewinnung zu erleben. Besonders hilfreich ist es, wenn mit den Anlagen Arbeit und preiswerte Energie in die Region kommen. Wie unten gezeigt, sind die Lohnkosten bei Windkraft der zweitgrößte Posten – um so mehr davon in den Windkraftregionen angesiedelt ist, um so besser die Akzeptanz.

Betrachtet man die Geldströme welche aus der Gewinnung von Windenergie hervorgehen, so sieht man etwa folgende Näherungswerte (die Zahlenangaben können je nach Standort der Anlagen schwanken):

  • 40% der Einnahmen fließen in den Bau der Anlage sowie Ersatzteile
  • 20% der Erlöse fließen in die Lohnkosten für Anlagenbetrieb, Bau, Instandhaltung sowie Planung der Anlagen
  • 5…15% der Einnahmen gehen an die Landeigentümer (wobei im Osten Deutschlands  vor allem die staatliche BVVG Boden Verwertungs- und Verwaltungs- GmbH die Preise in die Höhe treibt). Während 3-5% der Erlöse als Pacht für Windenergieflächen schon mehr aus auskömmlich wären, breitet sich infolge zu geringer Flächenausweisungen eine Unkultur der Maximalpachten aus, welche in jedem Dorf, wo es Windkraftprojekte gibt, eine gewaltige Spengkraft entwickelt.
  • 10-15% sind Zinsen während der ca. 18-jährigen Finanzierungsdauer der Maschinen
  • 7% der Erlöse fallen an Gewerbe- und Körperschaftssteuern an
  • 5% der Erlöse sind die Verzinsung der durch die Eigentümer der Anlagen eingesetzen Eigenmittel, wobei diese Zahlungen nachrangig gegenüber allen vorstehenden Zahlungen sind und, wenn es schlecht läuft, auch entfallen können.

Das erste, was bei diesen Zahlen auffällt, ist, dass das wenigste an die Eigentümer der Anlagen fliesst und dass dies auch Null sein kann. Natürlich kann ein Unternehmen mit Windenergie auch Geld verdienen, wenn es gut wirtschaftet, die richtigen Entscheidungen bezüglich Standort und Technik trifft und die Anlagen gut instand hält. Aber daß Unternehmen in unserer Gesellschaft Geld verdienen müssen, ist nicht neu und gehört zu den Grundlagen der sozialen Marktwirtschaft.

Und wenn Peter Altmaier mit „Der Staat ist ein lausiger Unternehmer“ Recht hat, dann ist es keine gute Idee, wenn Kommunen sich an Windenergie wirtschaftlich beteiligen und sich erheblichen Risiken aussetzen. Sie sind besser beraten, professionelle Betreiber in ihrem Gebiet planen und bauen zu lassen, welche dann auch Steuern zahlen, und Arbeit in die Region bringen.

2. Günstige Energie in Standortnähe

Wo viel Energie erzeugt wird, sollte sie für die Anwohner auch billig sein. Dieser Grundsatz wird von der Politik bis heute sträflich missachtet. Denn im Gegenteil – gerade in Regionen mit hohem Abteil erneuerbarer Energie haben die Bewohner sogar höhere Netzentgelte zu zahlen, von Entlastungen keine Spur. Und Unternehmen, welche Anwohner mit billigem Strom oder günstiger Wärme (z.B. aus abgeregelten Energiemengen) versorgen wollen, werden so viele Steine in den Weg gelegt, dass dies unmöglich wird, siehe auch Nutzen statt Abregeln. Das derzeitige EEG lässt nicht einmal die Errichtung von Stromtankstellen an erneuerbaren Energieanlagen zu, denn der Betreiber würde damit seine EEG-Vergütung verlieren. Hier herrscht dringender politischer Handlungsbedarf, damit endlich Energie dort billig wird, wo sie gewonnen wird. Folgendes ist politisch auf den Weg zu bringen:

  • die Nutzung erneuerbarer Energien in Standortnähe durch Gewerbe und Anwohner muss so gestaltet werden, dass sie deutlich günstiger als die fossilen Alternativen ist,
  • Nutzen statt Abregeln muss konsequent ermöglicht werden, indem die rechtlichen und wirtschaftlichen Hindernisse für Sektorkopplung beseitigt werden.

Es ist absurd, dass auf CO2-freiem Strom aus PV- und Windkraftanlagen extrem hohe Abgaben, Umlagen und Steuern liegen, die doppelt sich hoch sind, wie die Stromerzeugungskosten selbst – und gleichzeitig auf den CO2-Trägern Heizöl und Erdgas fast gar keine Abgaben lastet. Hier müssen gleiche Bedingungen für alle herrschen, und zwar pro CO2-Emission. Alle Abgaben, Steuern und Umlagen müssen pro CO2-Ausstoß des jeweiligen Energieträgers gezahlt werden. Dazu ist einfach die Bemessungsbasis der Steuern, Abgaben und Umlage von Kilogramm, Litern oder Kilowattstunden einheitlich auf „pro CO2-Ausstoß“ umzustellen. Das würde sofort dazu führen, dass erneuerbare Quellen für alle Kunden die billigsten Energien sind, was sie ja tatsächlich auch sind.  Und dort, wo die Energien erzeugt werden, im ländlichen Raum, würde Energie sofort extrem billig: ein Haushalt, der heute 3000 Liter Heizöl für über 2000 Euro verbraucht, könnte dann z.B. aus einer Windspeicherheizung für ca. 1000 Euro jährlich beheizt werden.

Auch das Laden von Elektrofahrzeugen direkt an Windkraftanlagen würde 10-20 ct/kWh kosten gegenüber den 40-70 ct/kWh, welche in Städten zu zahlen sind. Bei 15.000 km Fahrleistung pro Jahr mit 20 kWh/100 km bedeutet das eine Ersparnis von

15.000 km x 20/100 kWh/km x (0,2….0,7) €/kWh = 600….1.800 € jährlich. 

So würde endlich Akzeptanz entstehen, weil die Menschen, die mit den Anlagen leben, eine unmittelbare Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse spüren. Geldgeschenke dagegen von Windkraftbetreibern an Bürgen und Gemeinden sind der völlig falsche Weg – denn was würde passieren? Die Menschen würden das Geld nehmen und dafür Erdöl und Erdgas kaufen, statt billige erneuerbare Quellen vor ihrer Haustür zu nutzen. Das wäre absurd.

3. Gemeindliche Planung

Erfahrungsgemäß lassen sich die meisten Widersprüche bei erneuerbaren Energieprojekten durch ein gemeindliches Planverfahren lösen. Dort, wo ein professionelles Energieunternehmen gemeinsam mit der Gemeinde ein Planverfahren (Bebauungsplan, Flächennutzungsplan) durchführt, frühzeitig die Bürger und Gemeindevertreter einbezieht und so eine ausgewogene Planung entsteht, gibt es auch deutliche mehrheitliche Zustimmung.

Wo aber Gemeinden sich nicht um einen guten Partner kümmern und dadurch ein ungeplanter Wettbewerb um Flächen zugelassen wird, dort entsteht Streit, dort wächst der Widerstand und der Zorn. Denn ohne Planung kann gemäß §35 Baugesetzbuch auch gebaut werden. In solchen Fällen setzt sich dann häufig nicht der Beste durch, sondern derjenige, welcher die meiste Pacht zahlt, was Neid und Ärger in den Dörfer massiv verstärkt. Noch schlimmer wird es, wenn Gemeinden Energieprojekte verhindern wollen und Bauanträge dann auf dem Rechtsweg durchgebracht werden.

Es ist allen Gemeinden nur zu empfehlen, sich frühzeitig zu erkundigen, welche Unternehmen in ihrem Gemeindegebiet für eine professionelle Planung in Frage kommen und mit diesen Vereinbarungen über eine gemeinsame Planung zu schließen. Das Baurecht bietet dazu alle Voraussetzungen, man muss sie nur zum Wohle der Gemeinden nutzen.

4. Bedarfsgerechte Nachtkennzeichnung

Eine wichtiger Teil der Akzeptanz ist die bedarfsgerechte Nachtkennzeichnung. Der Gesetzgeber hat diese auf den Weg gebracht. Nun gilt es, sie schnell umzusetzen. Dabei gibt es leider noch ein rechtliches Hinderniss. Dieses besteht darin, daß es mit dem Energiesammelgesetz zugelassen wurde, daß Betreiber sich von der bedarfsgerechten Nachtkennzeichnung durch dein Einsatz nicht zugelassener System und damit nicht funktionsfähiger Systeme freikaufen können. Dies ist abzuschaffen.

5. Finanzielle Beteiligung der Gemeinden

Wie oben schon angedeutet, können Gemeinde bei richtiger Wahl der Anlagenbetreiber und guter gemeinsamer Planung auch in erheblichem Umfang Gewerbesteuern einnehmen. Dazu gehört im übrigen auch, dass alle Anlagen von einem Betreiber betrieben werden, denn wenn jede Anlage einen Einzelbetreiber hat, welcher die Gewerbesteuerfreibeträge in Anspruch nimmt, dann geht die Gemeinde leer aus. Bei guter Planung aber kann eine Fläche von ca. 1 Quadratkilometer ca. 200.000 € an Steuereinnahmen für die Gemeinde bringen.

Oft kommt die Forderung nach einer weiteren finanziellen Beteiligung der Gemeinden an der Windenergie, und sie kommt natürlich von den Gemeinden, wo mangels guter Planung auch keine Steuern gezahlt werden. Sofern eine solche Regelung bundesweit einheitlich und einfach getroffen würde, z.B. in Form einer festen Abgabe pro Quadratmeter Rotorfläche, könnte dies zu etwas mehr Akzeptanz in den Windkraftregionen führen – allerdings zu Lasten der Allgemeinheit durch steigende Strompreise. So hätte eine Abgabe von nur 1 € pro Quadratmeter Rotorfläche (entsprechen 10 bis 20 Tausend Euro pro neuer Windkraftanlage) schon eine strompreissteigernde Wirkung der Windenergieerzeuung von ca. 2,5%.

6. Was alles nicht hilft

Pauschale Abstandsregeln und Höhenbegrenzungen schwächen die Akzeptanz. Jede Höhenbeschränkung führt nämlich dazu, dass auf der Fläche dann deutlich mehr Anlagen mit geringerem Abstand errichtet werden müssen. Diese aber sind insgesamt viel störender in der Landschaft und vor allem durch ihre Vielzahl auch viel lauter. Dazu kommt, dass viele kleine Anlagen weniger Energie erzeugen als wenige große und damit auch die Steuereinnahmen sinken. All das führt zu einem klaren Ergebnis: die Anlagen können garnicht hoch genug sein, denn dann ist ihre Zahl gering, sie sind weniger hörbar und bringen mehr ein. Übrigens würden Höhenbegrenzungen auch dazu führen, dass alte kleine Anlagen länger als wirtschaftlich sinnvoll weiterbetrieben werden, statt sie durch viel weniger große Anlagen zu ersetzen.

Pauschale Abstandsregeln sind ebenfalls unsinnig. Die Abstände sind besser in einem gemeindlichen Planverfahren zu optimieren und festzulegen. Pauschale Festlegungen behindern eine gute Planung, denn niemand kann die konkreten Umstände vor Ort  durch allgemeine Regeln erfassen. Wo an einer Stelle 800 Meter Abstand ausreichen, können anderenorts 1000 Meter zu wenig sein.

Auch eine noch stärkere Begünstigung süddeutscher Windkraftstandorte ist nicht mehr Teil der Lösung. Bereits heute ist es so, dass Standorte in Süddeutschland für nur die Hälfte der Energieproduktion dieselbe Vergütung wie Standorte im Norden bekommen, d.h. die Energiekosten sind dort doppelt so hoch. Da ist es nun tatsächlich billiger, Leitungen in den Norden zu bauen. Noch mehr Anlagen an windschwachen Standorten wären ein Widerspruch zu dem Ziel, Energie preiswert zu machen und würden damit zu weniger Akzeptanz führen.

Weiter zu Teilhabe und Akzeptanz in Brandenburg.

 

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