1995

Polenkabel

Ein Besuch bei unserem regionalen Energieversorger im Jahr 1995 klärt dich darüber auf, dass es auch bei Stromkabeln Nationalismus gibt. Für die ersten Mühlen hast du Kabel bei Betrieben aus Berlin eingekauft, später dann Kabel aus Skandinavien, und du machst dir nie viele Gedanken, wer die Kabel liefert, wenn nur die Qualität stimmt. Die ersten guten Erfahrungen mit eigenen Kabeln und die vielen schlechten Erfahrungen mit den Freileitungen unsere öffentlichen Energiebetriebe zeigen klar, dass auch die 10 neuen Anlagen im Windfeld Uckermark über ein eigenes Kabel angeschlossen werden sollten.

Planungs- und Bauzeit schätzt du auf drei Monate. Gesagt ist aber nicht gleich getan, denn schon im ersten Gespräch, als du gegenüber den Verantwortlichen unseres Versorgers auf die Kabelpläne eingingst, war die Antwort überraschend. Kabel kämen überhaupt nicht in Frage, das sei viel zu aufwendig und überhaupt, heißt es, du würdest doch nur billiges Polenkabel legen. Also auf keinen Fall solle dir gestattet werden, eigene Kabel zu verlegen, du hättest zu warten, bis eine neue Freileitung gebaut wäre und das könne schonmal ein zwei Jahre dauern, oder auch länger wegen der Planungszeiten.

Damit ist das Gespräch beendet und du weißt nun, dass Erdkabel zu teuer sei, weil sie zu billig in Polen hergestellt würden und dass Freileitungen die schnellste Lösung seien, weil man dafür Jahre benötigt statt Monate für ein Kabel. Diese etwas wirre Erkenntnis trägst du dann, gewürzt mit einigen Ausführungen über Gleichheit und Monopolstellungen, kurz darauf im Kartellamt vor.

Nur ein paar Wochen dauert es, und schon liegt das Kabel in der Erde? Auch wenn es nicht aus Polen stammt, befördert es nun schon an die 20 Jahre zuverlässig seinen Strom. Die Entscheidung des Kartellamtes hatte auch nichts mit der Frage der Nationalität des Kabels zu tun. Da geht es nur darum, daß wenn du nur Strom erzeugst und nicht an Endverbraucher lieferst, dass du demzufolge keine Kabelkonzession benötigst.

Jedenfalls ist die Botschaft der Kartellwächter an unseren Versorger klar: „Wenn Sie weiterhin verhindern, dass Windkraftbetreiber eigene Kabel verlegen, dann erleben Sie eine gewaltige Bauchlandung!“ Und so legst du Kabel bis heute…

Ein Brief an die EMO

16. August 1995

An die Energieversorgung Müritz-Oderhaff AG Hauptverwaltung Postfach 1704 D-17007 Neubrandenburg.

Betrifft: Netzanschluß von 12 Windkraftanlagen Enercon E40 im Windfeld Uckermark (Registriernummer 95076), Antrag vom 31.1.1995 – Ihr Schreiben vom 28.7.1995

Sehr geehrte Damen und Herren, wie Sie wissen ist es uns im Windfeld Uckermark gelungen, verschiedene Bauherren von Windkraftanlagen an einen Tisch zu holen und im Ergebnis ein gemeinsames Netz aufzubauen. Das ist exakt das, was Sie sich diesbezüglich von uns stets gewünscht hatten. Unser Bemühen hat nicht nur dazu geführt, daß Netzanschlußkosten gespart werden konnten, sondern auch in Ihrem Haus konnte der Aufwand durch die Beschränkung auf einen Übergabepunkt verringert werden. Die gemeinsame Planung der Windkraftanlagen hat darüber hinaus den gefürchteten Wildwuchs der Mühlen gebannt. Wir möchten diesen guten Ansatz deshalb gern fortführen.

In diesem Sinne planen wir das Windfeld Uckermark. In diesem Sinne haben wir auch bei Ihnen Anschlußanträge über weitere Windkraftanlagen gestellt. Nunmehr teilen Sie uns bezüglich unseres o.g. Antrages mit, daß die mögliche Einspeisekapazität des Umspannwerkes Prenzlau durch bereits erteilte Zustimmungen zum Netzanschluß von Windkraftanlagen anderer Antragsteller ausgeschöpft sei. Daraus folgt, die Netzanschlußkapazität für den Anschluß von 12 Windkraftanlagen ist vorhanden. Es folgt weiterhin: die Netzkapazität wird von Anträgen blockiert, welche bereits eineinhalb Jahre alt sind. Dies ergibt sich zwangsläufig, da wir am 21.1.1994 bereits einen Antrag über 13 Windkraftanlagen gestellt hatten. Sie hatten dafür einen Windfeldanschluß über eine Freileitung angeboten. Die Freileitung wurde in weiteren Verhandlungen durch ein Windkabel ersetzt, welches im Zusammenhang mit dem Aufbau der Windkraftanlagen Anfang 1995 inzwischen auch gebaut und in Betrieb genommen wurde. Zu den 13 Anlagen hatten Sie jedoch bereits in Ihrer Netzanschlußzustimmung vom 13.5.1995 mitgeteilt, daß der Anschluß eine teuere Umspannwerks-Erweiterung erfordern würde. Daß heißt, wenn bereits damals das Umspannwerk ausgelastet war, dann können zur Einspeisung zugelassene Anträge jüngeren Datums nicht vorliegen.

Diese Sachverhalte bedürfen offenbar einer Erklärung Ihrerseits. Ihr Schreiben läßt die Vermutung zu, daß hier nicht realisierte Altanträge die Entwicklung der Windkraft blockieren. Wir lassen uns gern von Ihnen eines Besseren belehren und uns nachweisen, daß die fest vergebenen Kapazitäten entweder im Bau sind oder der Netzanschluß bereits bezahlt ist. Uns sind jedoch keine Bauvorhaben in Prenzlau bekannt.

Wir sehen auch eine recht einfache Möglichkeit zur Lösung dieser Frage: wir könnten den bereits einmal am 14.7.1993 in Ihren Haus stattgefundenen Versuch wiederholen und die verschiedenen Antragsteller zu einem Gespräch einladen. Wie bereits im Windfeld Uckermark geschehen, könnte auch hier eine gemeinsame Lösung zum Vorteile aller erreicht werden. Als Termin käme hierfür unsererseits der 4., 5., 11., 12. oder 13. September in Frage. Wir hoffen, daß diese Terminvielfalt ausreichend ist, um alle relevanten Antragsteller an einen Tisch zu bekommen.

Sollten Sie bis zum 31.August 1995 nichts gegenteiliges mitteilen müssen wir jedoch davon ausgehen, daß faktisch eine Einspeisezusage für unseren Antrag vom 31.1.1995 vorliegt, da einerseits die technischen Möglichkeiten gegeben sind und andererseits keine anderen Bauvorhaben entgegenstehen. Mit freundlichen Grüßen, Jörg Müller.