E gegen H2

Mit 20 kWh oder 1 kg Wasserstoff Strom kommt ein PKW 100 km weit. Selbsterzeugter Strom kostet 5 ct/kWh, an der Steckdose sind es 30 ct/kWh. Wasserstoff kann für 5 €/kg angeboten werden.

Das sind dann Kosten von 1 €/100 km mit selbsterzeugtem Strom, 6 €/100 km an der Steckdose und 5 €/100 km mit Wasserstoff. Angesichts so geringer Kosten fragt man sich, wieso es überhaupt eine Diskussion um „E oder H2“ gibt.

Und es ist eine endlose und leidenschaftliche Diskussion: Was ist besser? Elektro oder Wasserstoff in der Mobilität? Dabei ist die Antwort so schlicht und salomonisch wie es irgend nur geht: beides wird benötigt, und das rechte Maß gilt es zu finden. Die Aussage „die Batterie hat gewonnen“ ist ebenso unsinnig wie die Behauptung „es geht nur mit 100% Wasserstoff“.

Diese Seite hier stellt sich die Aufgabe, die vielen Annahmen welche als Für und Wider vorgebracht werden, zu hinterfragen.

Windkraft im Tank

Ganz grundsätzlich zunächst: Ein rein elektrisches Energiesystem wird es nach dem, was wir heute wissen, nicht geben – denn wir kennen kein physikalisches Prinzip, mit Hilfe dessen man Strom lange und preiswert speichern kann. Die einzige bekannte Lösung, grosse Mengen erneuerbar gewonnenen Stromes zu speichern ist Wasserstoff. Die Elektrolyse ist die einzige bekannte Technologie, mit deren Hilfe die Unstetigekeit von Solar- und Windenergie gebändigt werden kann, nämlich indem der fluktuierende Teil der Stromerzeugung in Wasserstoff umgewandelt, gespeichert und in energieangebots-armen Zeiten genutzt wird. Und wie? In Brennstoffzellen natürlich, denn sie haben den höchsten Wirkungsgrad, erzeugen kein Stickoxid sondern nur Wasser. Wenn aber die Brennstoffzelle sowieso benötigt wird, dann fragt man sich schnell: Warum denn alle Brennstoffzellen stationär installieren? Wäre es nicht sinnvoller, sie in Autos einzubauen? Dann werden sie besser ausgenutzt und rückspeisen in die Stromnetze können Autos allemal… diese Überlegung zeigt, was alles beim Thema E versus H2 zu beachten ist. Und sehr wahrscheinlich ist die beste Lösung ein Fahrzeug, welches 50 km rein elektrisch fahren kann plus 500 km mit Wasserstoff. Und der Fahrer wird sich schon überlegen, welche Energieart für ihn gerade die beste ist: der billige Strom aus der eigenen PV Anlage im Sommer oder Netzstrom im Winter – oder eben H2 von der Tankstelle, wenn Strom gerade zu teuer ist oder eine lange Strecke ansteht.

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Nun zu den Gerüchten zu diesem Thema. Die häufig anzutreffenden Aussagen sind schwarz, die Klarstellungen dazu sind blau.

Für die Erzeugung von Wasserstoff aus Ökostrom gibt es erst wenige Versuchsanlagen. Es gibt sicher noch nicht viele Anlagen, aber sie erzeugen ein Vielfaches der Wasserstoffmengen, welche im Verkehr nachgefragt werden. Etliche Anlagen sind bereits seit 5-10 Jahren in Betrieb. Nicht nur ENERTRAG würde seine H2-Erzeugungskapazitäten gern zügig ausbauen – es fehlt nur an den rechtlichen Voraussetzungen.

Wasserstoff wird heute hauptsächlich aus fossilen Energieträgern gewonnen und zwar per Erdgas-Reformierung. Das stimmt zwar, allerdings wird der so gewonnene Wasserstoff ja auch in der fossilen Industrie eingesetzt und hat mit Mobilität nichts zu tun. Es wird nämlich in Deutschland viel mehr Wasserstoff aus Windkraft erzeugt, als die vorhandenen Brennstoffzellenfahrzeuge verbrauchen, und ein Ausbau der Kapazitäten ist sehr schnell möglich. 

Obwohl man inzwischen Wirkungsgrade von 70 Prozent in solchen Anlagen erreicht, gehen alleine schon 30 Prozent der Primärenergie bei der Erzeugung verloren. Natürlich geht auch bei der Wasserstoffherstellung Energie verloren. In der ENERTRAG-Anlage werden mit 500 kW 120 qm H2 mit einem Energiegehalt von 3,2 kWh/qm, also 384 kWh erzeugt. Und 384/500 ergibt einen Wirkungsgrad von 77%. Dabei ist zu beachten, dass mit zunehmendem Ausbau erneuerbarer Erzeugung gerade Elektrolyseure benötigt werden, um den Strom auch nutzen zu können. Bis zu 30% würden durch Abregelung verloren gehen, siehe hier ganz unten.

Wasserstofftankstellen sind zu komplex und zu teuer und können nur wenige Fahrzeuge pro Tag versorgen. Auch diese Aussage ist rückwärtsgewandt und nicht zukunftstauglich. Heutige Tankstellen werden nur für die wenigen vorhandenen Fahrzeuge gebaut, sind also verhältnissmässig klein und nur für 1-2 Tankvorgänge pro Stunde gebaut. Es ist aber ohne weiteres möglich, wesentlich grössere Tankstelle zu bauen, die Tausende Fahrzeuge täglich betanken können und welche pro Tankvorgang dann auch wesentlich billiger sind. Übrigens, wer selbst ein Wasserstofffahrzeug fährt, weiss wie einfach und problemlos das Tanken geht und dass es wirklich nur 3 Minuten dauert. 

Oft findet sich auch folgende Rechnung: 10 Millionen Fahrzeuge, die 150 Milliarden Kilometer im Jahr fahren, brauchen bei einem Verbrauch von 1 kg H2 pro 100 km dann 1,5 Millionen Tonnen Wasserstoff mit einem Energiegehalt von ca. 50 TWh, wofür über 60 TWh Elektrolysestrom nötig sind. Auch das ist so völlig falsch – Wasserstoffautos werden über eine Batterie für eine elektrische Reichweite von ca. 50 km verfügen. Damit wird es gut und gerne möglich sein, bis zu 80% der Strecken rein elektrisch zu fahren. Nur für lange Strecken und in Zeiten von Stromknappheit wird auf die Brennstoffzelle zurückgegriffen. Damit braucht man auch viel weniger Wasserstoff. 

Wasserstoff ist das leichteste der Elemente und extrem flüchtig. Das Ionengitter eine Stahlgefäßes ist für das kleine Wasserstoff-Molekül kaum eine Barriere. Erste Wasserstoffversuchsautos hatten das Problem, dass sich nach zwei Wochen Standzeit fast der gesamte Wasserstoff aus den Tanks verflüchtigt hatte. Was so logisch klingt, ist nichts weiter als die Verknüpfung richtiger Aussagen durch Weglassen ihres Kontextes zu einem falschen Gesamtbild: der Wasserstoff, der sich bei einigen Versuchsfahrzeugen verflüchtigt hat, ist mitnichten aufgrund von Diffusion durch Stahlgefäße verloren gegangen, sondern weil die Fahrzeuge mit flüssigem H2 betrieben wurden. Für dessen permanente Kühlung auf -271 Grad Celsius wurde täglich fast 1/10 des Tankinhaltes verbraucht. Die Tanks von Brennstoffzellen mit Druckgasgefäßen sind dagegen absolut dicht – auch nach Monaten ist kein Verlust feststellbar.

Die Wasserstofftanks sind sehr aufwendig und bestehen aus kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff. Ein Tank für fünf Kilogramm Wasserstoff wiegt 125 Kilogramm. Denn der Tank muss den Wasserstoff nicht nur dauerhaft halten können, sondern auch den Sicherheitsanforderungen für Autos entsprechen. Bei einem Unfall darf er auf keinen Fall bersten. Das stimmt – allerdings speichern diese 125 kg auch 5 kg H2 mit 33,3 kWh/kg, also 166 kWh. Ein Akkumulator für ein Fahrzeug gleicher Reichweite wiegt 600 kg. Dagegen sind 125 kg fast nichts. Tatsächlich spart die Brennstoffzellentechnologie massiv am Fahrzeuggewicht.

Der einzige vermeintliche Vorteil der Brennstoffzelle sind die relativ kurzen Betankungszeiten. Wirft man aber einen genauen Blick auf die heutigen Tankstellen, ist auch dieser Vorteil schnell dahin. Denn der gelagerte Wasserstoff muss nach jeden Tankvorgang wieder auf die für Fahrzeuge erforderlichen 700 Bar verdichtet werden. Dieser Vorgang dauert Zeit, so dass nicht nahtlos ein Fahrzeug nach dem anderen betankt werden kann. Eine heutige Wasserstofftankstelle kostet zwischen einer und zwei Millionen Euro und kann Wasserstoff für etwa 50 Vollbetankungen lagern, braucht also permanent Nachschub, was weitere Kosten verursacht. Vergleicht man Tankstellenkosten, so muss man gleiches mit gleichem vergleichen. Eine Tankstelle mit einer Kapazität für 1.000 Vollbetankungen täglich zu 5 kg H2 täglich kostet etwa 4 Mio. Euro (davon kosten etwa die Hälfte die Tanks zu Preisen von ca. 15 €/kWh Speicherfähigkeit). Das macht dann etwa 1 € pro Tankvorgang aus über 10 Jahre. Eine Tankstelle für 1.000 Vollbetankungen mit Strom zu je 75 kWh kostet bei Akkupreisen von 200 €/kWh allein für die Akkus 15 Mio. € bei Auslegung auf 100%. Würde man nur 25% der täglichen Ladeleistung speichern wären ist immer noch fast 4 Mio. € – und die Stromtankstelle könnte an etlichen Tagen des Jahres keinen Strom liefern, weil nicht genug Sonne oder Wind da sind. Wollte man diese Zeiten überbrücken, müsste man grosse Brennstoffzellenkraftwerke bauen, die dann Energie liefern – hier sieht man, dass es einfacher ist, die Brennstoffzellen gleich in die Fahrzeuge einzubauen.

Stromfahrzeuge können durch Lastmanagement auch noch dem Netz dienen, indem sie Erzeugungsspitzen abfangen können. Der Gedanke scheint einleuchtend, jedoch sind die Akkus bereits nach kurzer Zeit voll. Das funktioniert nämlich nur mit Solarstrom, den es hierzulande aber im Winter fast nicht gibt. Akkus sind nicht in der Lage, die reichlich im Herbst vorhandene Windenergie in den Februar zu verschieben – das kann nur die Elektrolyse leisten. Und Brennstoffzellenfahrzeuge können nicht nur Strom ins Netz zurückspeisen, sondern sie können auch jederzeit H2 nachtanken und so mehrere Wochen Dunkelflaute überbrücken. Mit Stromfahrzeugen wäre das unmöglich, denn sie sind dann einfach leer und könnten nirgends geladen werden. 

Ein Kilogramm Wasserstoff kostet in Deutschland derzeit 9,50 Euro  und reicht für etwa 100 Kilometer. Damit kann der Wasserstoff derzeit – die realen Kosten dürften höher liegen – mit Dieseln oder Benziner mithalten, liegt aber deutlich über den Betriebskosten für ein Elektrofahrzeug, dass sich je nach Fahrzeugtyp mit 13 bis 25 Kilowattstunden pro 100 Kilometern begnügt und damit zwischen 3,90 und 7,50 Euro liegt. Wasserstoff kann aus Windstrom für 5 ct/kWh gewonnen werden. Die Elektrolyseanlage kostet etwa gleichviel wie die Windkraftanlage (noch), was die Kosten auf 10 ct/kWh verdoppelt. Dazu kommen dann nochmal ca. 5 ct/kWh für Speicherung und Transport. Diese zusammen 15 ct/kWh entsprechen bei 33,3 kWh/kg Energiedichte des Wasserstoffs dann 5 € pro kg. Der heutige Tankstellenpreis ist nämlich nur deshalb so hoch, weil es kaum Kunden gibt. Damit kosten 100 km mit H2 fahren 5 €, also weniger als mit Strom aus dem heutigem Netz.

Mit selbsterzeugtem Strom sind Kosten von 1 bis 2 Euro pro 100 km rein elektrischem Fahren erzielbar, wenn die Netzentgelte und alle Abgaben und Umlagen auf Strom entfallen.

Die Brennstoffzelle ist sehr empfindlich. Daher muss die Luft sehr aufwendig gefiltert werden, um die Brennstoffzelle nicht zu beschädigen. Reine Stuttgarter Stadtluft würde eine Brennstoffzelle sofort zerstören. Diese teuren Filter müssen regelmäßig getauscht werden. Das wird inzwischen sehr gut beherrscht. Auch nach über 70.000 km mit dem Mirai konnten wir noch nicht feststellen, dass Kosten für Filterwechsel angefallen wären.

Dazu kommt, dass wir mit dem Wasserstoff deutlich sinnvollere Dinge machen können, als damit im Auto herumzufahren. Wasserstoff lässt sich bis zu zehn Prozent dem Erdgas zusetzen oder über die Methanisierung – also die Reaktion von Wasserstoff mit Kohlendioxid – zu Methan und Wärme umwandeln. Methan ist nichts anderes als Erdgas und das lässt sich in Kavernenspeichern und im Gasnetz selbst lagern und bei Bedarf in Blockheiz- und Gaskraftwerken oder stationären Brennstoffzellen wieder zu Strom und Wärme umwandeln. So könnten wir mit Wasserstoff aus Strom unsern Importbedarf an Gas aus Russland oder Frackinggas aus den USA senken. Auch dies klingt wieder so logisch, hält aber einer Analyse nicht stand. Es ist völlig richtig, dass ein großer Teil des aus Wind und Sonne gewonnenen H2 in die Erdgasnetze und damit in die Heizungen und in die Industrie geht. Das steht aber eben nicht im Widerspruch dazu, dass etwa 20% des Wasserstoffs in die Mobiltät gehen werden. Eine Methanisierung ergibt jedoch keinen Sinn, weil Methan selbst nur mit hohen Verlusten nutzbar ist, siehe hier. Lediglich die Wärmegewinnung wäre verlustarm möglich – das kann man aber dann auch gleich mit H2 erledigen. 

Wasserstoff ist explosiv. Das stimmt. Aber Benzin und Methan sind auch explosiv. Läuft Benzin aus und entflammt, so gibt es meist keine Rettung mehr. Auch ausströmendes Methan ist extrem gefährlich, weil es sich selbst im Freien nur schwer verflüchtigt. Ein Wasserstoffleck im Freien ist dagegen ungefährlich, denn bevor ein zündfähiges Gemisch entstehen kann, ist der Wasserstoff längst gen Himmel verflogen. Tatsächlich ist die Gefährlichkeit von Wasserstoff im Vergleich zu anderen Treibstoffen gering. Und in Gebäuden kann H2-Explosionen leicht vorgebeugt werden, indem permanent heisse kleine Glühpunkte installiert werden, welche austretenden Wasserstoff durch leichte Verpuffung abbauen bevor es zu einer Explosion kommt. Auch der Vorfall in Norwegen im Juni 2019, bei dem sich eine Wasserstofftankstelle wegen einem Montagefehler zerlegte, zeigte letztlich nur, dass dabei niemandem etwas passiert.  Irrigerweise wird auch das Luftschiffunglück der Hindenburg oft als Argument für die Gefährlichkeit von H2 herangezogen. Tatsächlich konnte sich der größte Teil der Menschen dabei aber retten, das Schiff konnte brennend landen – welches Flugzeug kann das schon?


Wasserstoff