Wo nützt H2 am meisten?

Wasserstoff aus Wind- und Solarstrom zu erzeugen ist dank Elektrolyse eine leichte Sache. Aber wo sollte dieser grüne Wasserstoff dann eingesetzt werden? Am sinnvollsten dort, wo er das meiste Kohlendioxid verdrängt. Hier eine eben danach geordnete Liste, beginnend mit der Verwendung, welche das meiste Kohlendioxid spart. Ausgangspunkt ist dabei, dass der Wasserstoff aus Strommengen hergestellt wird, denen überwiegend kein zeitgleicher Strombedarf gegenübersteht, d.h. die direkte Nutzung des Stromes anstatt der Elektrolyse ist keine Alternative.

Der Ersatz von Kohle beim Hochoffenprozess vermeidet 22 kg CO2 pro kg H2-Einsatz. Die Eisenerzreduktion mittels Kohle erzeugt 1,45 Tonnen CO2 pro Tonne Eisen, also pro Kilo Roheisen 1,45 kg CO2. Aus der Summelformel für die Reduktion von Eisen mit H2 ist 3Fe2O3 + 9H2 -> 6Fe + 9H2O, d.h. 9×2 H2 werden benötigt für 6 Fe mit der molekularen Masse 55,84. Man benötigt also 2*9/6*55,84 = 0,054 g H2 für ein Kilogramm Roheisen. Aus 1,45 geteilt durch 0,054 erhält man 27 kg CO2-Vermeidung pro kg H2-Einsatz im idealen Prozess. Errechnet man allerdings den CO2-Ausstoß beim Hochofenprozess nach der chemischen Formel, so erhält man einen um 23% geringeren Wert, als oben angegeben. Unter der Annahme, dass beim H2-Einsatz ähnliche Verluste vorliegen, erhält man obige 22 kg CO2-Verminderung.

2. Die Nutzung von Wasserstoff für die Versorgung elektrischer Wärmepumpen in Engpasszeiten spart gegenüber der Nutzung von Erdgas bis zu 15 kg CO2 pro kg H2. Wärmepumpen können nur dann mit erneuerbarem Strom betrieben werden, wenn genügend erzeugt wird. In so mancher Winterwoche ist aber ebendies nicht der Fall. Als Überbrückung käme Methan (Erdgas) im Brennwertkessel in Frage – oder Wasserstoff, welcher per Brennstoffzelle den Strom für die Wärmepumpe liefert, wobei die Abwärme mitgenutzt wird. Wie unter unter „Einspeisung in das Erdgasnetz“ gezeigt, spart ein Kilogramm H2 gegenüber Methan bereits 7 kg CO2 ein. Bei der Nutzung des Wasserstoffs in der Brennstoffzelle entstehen 60% Strom und 40% Wärme. Hat die Wärmepumpe eine Leistungszahl von 3, so erreicht man also mit 60% des Energieeinsatzes eine Verdreifachung der Wärmeerzeugung, währen 40% 1:1 zu Wärme werden, im Ergebnis erhält man 1,8 + 0,4 = 2,2 als Faktor, welcher mit 7 zu multiplizieren ist und ca. 15 ergibt.

3. Der Ersatz von Diesellokomotiven durch Wasserstoffzüge spart  13 kg CO2 pro kg H2. Da der Wirkungsgrad von Brennstoffzellen 50% höher als der eine Dieselmotors ist kann 1 kg Wasserstoff mit 33,3 kWh Energiegehalt 50 kWh im Zugantrieb ersetzen, für welche ca. 5 Liter Diesel benötigt werden. Da 1 Liter Diesel zu 2,64 kg CO2 wird, vermeidet man 5*2,64 = ca. 13 kg CO2 mit einem Kilo Wasserstoff.

4. Der Einsatz von grünem Wasserstoff im Strassenverkehr spart bis zu 12,5 kg CO2 pro kg H2. Der Wasserstoffverbrauch eine Brennstoffzellenautos beträgt ca. 1 kg H2 pro 100 Kilometer. Ein etwa gleichgrosses Auto mit Verbrennungsmotor benötigt bei ähnlicher Fahrweise ca. 5 Liter Treibstoff, welche bei einem angenommenen Mix aus Benzin und Diesel etwa 2,5 kg CO2 pro Liter entstehen lassen. Es ergeben sich 5*2,5 = 12,5 kg CO2, welche der Einsatz von 1 kg H2 vermeidet.

5. Ersatz von Schweröl in Schiffsdieseln durch grünen Ammoniak spart 8,2 kg CO2 pro kg H2. Dies ergibt sich aus weiter unten „Ersatz von Wasserstoff aus Dampfreformierung“ und der Möglichkeit, aus Ammoniak, NH3, Wasserstoff zu erzeugen, welcher dann über Brennstoffzellen für den Schiffsantrieb sorgt. Der 50% höhere Wirkungsgrad der Brennstoffzellen gegenüber dem Dieselmotor sorgt entsprechend für einen höheren CO2-Spareffekt. Würde man Ammoniak im Motor verbrennen, wäre die Einsparung natürlich wieder nur bei ca. 5,5.

6. Einspeisung von H2 in das Erdgasnetz und Nutzung im Brennwertkessel anstelle von Erdgas spart 7 kg CO2 pro kg H2. Dies ergibt sich daraus, dass Methan einen Brennwert von 55,5 MJ/kg aufweist (sein Heizwert ist 50 MJ/kg, hier wird aber ein Brennwertkessel betrachtet), was gleich 15,4 kWh pro kg ist. Ein Kilogramm Methan erzeugt beim Verbrennen 2,75 kg CO2, wie aus der chemischen Formel CH4 + O2 -> CO2 + 2 H2 ergibt (die molare Masse von CO2, 44, ist zu teilen durch diejenige von CH4, 16). Damit entstehen also 0,178 kg CO2 pro Kilowattstunde Energiegewinnung aus Methan im Brennwertkessel. Wasserstoff hat einen Heizwert von 33,3 kWh/kg (120 MJ/kg) und einen Brennwert von 39,4 kWh/kg (141,8 MJ/kg). Wenn 1 kg Wasserstoff also 39,4 kWh Wärme erzeugt, so spart es damit 39,4 kWh x 0,178 kg CO2/kWh = 7 kg CO2 ein.

7. Beim Ersatz von Wasserstoff aus Dampfreformierung für den Einsatz in der Stahlindustrie als Inertgas (nicht für die Reduktion, siehe ganz oben) oder zur Ammoniaksynthes spart 5,5 kg CO2 pro kg H2. Die summarische chemische Formel der Dampfreformierung ist 2H2O + CH4 -> CO2 + 4H2. Die molare Masse von CH4 ist 44, die von H2 ist 2. Also ist 44 durch 4*2 zu teilen, ergibt 5,5 kg CO2/kg H2. Wird dagegen grüner Wasserstoff eingesetzt, wo werden ebendiese 5,5 kg CO2 vermieden.

8. Der Ersatz von H2 aus Dampfreformierung in Raffinerien führt eher zu mehr CO2-Emissionen. Warum? Zwar ist rechnerisch der derselbe wir beim Einsatz in der Stahlindustrie, allerdings ist der Anteil von H2 am gesamten Energiegehalt von Benzin und Diesel gering: knapp 8 Mrd. Kubikmeter H2 brauchen die Raffinerien jährlich, welche 24 TWh Energie enthalten. Der Verbrauch an diesen Treibstoffen in Deutschland liegt aber bei 46 Mrd. Liter, welche ca. 460 TWh enthalten. Es sind also maximal 5% der Energie durch grünen H2 ersetzbar, was eher ein Greenwashing ist – mit der fatalen Folge, dass der Treibstoff als „Ich kann grün“ beworben wird. Die Verbraucher werden so beruhigt und der Druck, auf Elektro- und Wasserstoffmobilität zu wechseln, wird kleiner. Es ist damit sehr wahrscheinlich, dass die wenigen Prozent „grün“ im Benzin durch einen langsameren Rückgang des Benzinverbrauches weit überkompensiert werden und letztendlich mehr CO2 entsteht.

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