Die Energiewende besteht aus drei Phasen, die im wesentlichen vom Ausbaugrad erneuerbarer Energieerzeugung abhängen:
1. Es gibt weniger erneuerbare Leistung als Stromnachfrage
Die erste Phase der Energiewende ist das einfache Einspeisen, auch fröhliches Einspeisen genannt. Die Einfachheit der Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen und die in dieser Phase jederzeit unbegrenzte Aufnehmbarkeit des Stromes durch das öffentliche Netz ermöglichen einen zügigen Ausbau. Da die Leistung der erneuerbaren Energieanlagen zu jedem Zeitpunkt kleiner ist, als die Stromnachfrage, verdrängen diese lediglich andere Erzeugungseinheiten vom Markt. Eine Vielzahl von neuen Energieerzeugern kann ihren Strom so ohne grosse Schwierigkeiten einfach in das öffentliche Netz verkaufen – sofern die Netzbetreiber zur Abnahme und Vergütung verpflichtet sind.
Eine solche Pflicht wurde in Deutschland erstmals 1991 mit dem Stromeinspeisegesetz, dem heutigen Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) eingeführt. Diese war erforderlich, um den Kostenvorteil fossiler Energieerzeuger auszugleichen, welcher darin bestand, dass sie die Athmosphäre als kostenlose Mülldeponie für ihre Abgase nutzen durften. Die eingeführte faire Mindestvergütung für erneuerbaren Strom führte in Verbindung mit Einspeisevorrang und Abnahmepflicht zu einem zügig wachsendem Ausbau.
Die erste Hälfte dieser Phase war in Deutschland dennoch durch die Überwindung einer Vielzahl von Vorurteilen gegen erneuerbare Energien gekennzeichnet. Anfangs wurden die neuen Stromerzeuger unsinnigerweise wie Verbraucher behandelt und wurden nur an Niederspannungsnetze angeschlossen. Energieversorger verweigerten den Netzanschluss, wenn Windkraftbetreiber ein eigenes Netz bauen wollten. Zehn Jahre dauerte es, bis endlich auch 100% erneuerbare Einspeiseleistung in Netzknoten zugelassen wurde. Und den Betreibern wurde ständig vorgeworfen, viel zu teueren Strom herzustellen. All das liegt nun hinter uns.
Die natürlichen Schwankungen der beiden wesentlichen erneuerbaren Energiequellen Windkraft und Photovoltaik bringen im Verlauf der 1. Phase immer mehr Fluktuationen in die Netze. Diese wieder abzubauen ist Aufgabe der 2. Phase.
2. Es gibt mehr erneuerbare Leistung als Stromnachfrage
Die unbegrenzte Aufnehmbarkeit des Stromes und damit die erste Phase endet bei einem Anteil von etwa 35% erneuerbar erzeugten Stromes im Netz, welcher in Deutschland längst erreicht ist. Die zweite Phase beginnt, wenn mehr erneuerbare Leistung installiert ist, als gleichzeitig Leistung im Netz nachgefragt wird.
Da die Nachfrage schwankt und Nachts oder an Wochenenden kleiner ist als an Arbeitstagen, taucht zumeist an wind- oder sonnenreichen Wochenende das Phänomen der Abregelung auf: das mehr Strom erzeugt werden kann, als nachgefragt wird, müssen Windkraft- und Solaranlagen in ihrer Leistung begrenzt werden. Die Lastwaage, die jederzeitige Gleichheit von zwischen Erzeugung und Verbrauch, kommt aus dem Gleichgewicht.
Der Übergang von erster zu zweiter Phase ist gleichzeitig der Zustand mit dem größten Anteil von Schwankungen, Fluktuationen, in den öffentlichen Netzen. Erst mit der Einführung neuer grosser Speicher in das Energiesystem, welche entgegensetzt zu den Schwankungen der Erzeugung arbeiten, werden die Fluktuationen im Netz wieder kleiner. Bei diesen Speichern handelt es sich im Wesentlichen um Wasserstofferzeugung und Großwärmespeicher, die immer dann arbeiten, wenn das erneuerbare Energieangebot die Stromnachfrage übersteigt. Es kommt damit zum Wegspeichern der Fluktuationen.
So wird damit in der zweiten Phase erneuerbarer Strom außerhalb des Stromsektors als Energieträger in Form von Wasserstoff oder Wärme nutzbar. Mit ihrem zunehmendem Anteil übernehmen erneuerbare Energien damit die Systemführerschaft bis auf die Bereitstellung gesicherter Leistung, welche Phase 3 vorbehalten ist.
In der 2. Phase passen die Erzeuger von Wind- und Solarstrom ihre Einspeisung in die öffentlichen Netze mehr und mehr an den Strombedarf an, indem sie speicherbare Energieträger erzeugen. Der umgekehrte Fall wird eher die Ausnahme sein, dagegen sprechen bereits die Anforderungen an die Systemstabilität, vom Nutzerverhalten ganz abgesehen.
Der Schlüssel zur Lösung dieser Aufgabe ist die Sektorkopplung direkt an oder in der Nähe der Stromerzeugungsanlagen, d.h. die Umwandlung erneuerbarer Energie in speicherbare Energieträger für die Wärme- und Kraftstoffversorgung. Die Speicher nehmen das schwankende Energieangebot auf – die Fluktuationen werden weggespeichert, um Energieträger für andere Sektoren zu gewinnen.
Natürlich kommen auch weitere Stromnachfrager dazu, wie Elektrofahrzeuge und Wärmepumpen – es ist aber nicht möglich noch nötig, deren Nachfrage mit der Wind- und Solarstromerzeugung zu synchronisieren: dazu gibt es zu lange Phasen mit zuwenig Sonne und Wind. Und der Auslastungsgrad der teueren Stromnetze soll ja besser steigen als sinken, um kostengünstig Strom zu übertragen. Fluktuationen gehören also möglichst nicht ins Stromnetz.
3. Vollständig Erneuerbar
Erst in der dritten Phase der Energiewende, ab ca. 70%…80% Anteil erneuerbarem Strom im öffentlichen Netz, stellt sich die Frage, wie in Engpasszeiten Energie aus erneuerbaren Quellen bereitgestellt werden kann. Bis dahin steht dafür der vorhandene alte Kraftwerkspark, möglichst CO2-arme Gaskraftwerke, zur Verfügung.
Zu diesem Zeitpunkt wird Wasserstoff bereits in grossen Mengen verfügbar sein. Wenn der Bedarf der Wasserstoffmobilität, der Stahlherstellung und der Chemie an Wasserstoff gedeckt ist, dann wird in der Endphase des Aufbaus der Wasserstoffwirtschaft auch Wasserstoff für die Rückverstromung hergestellt und gespeichert werden.
Gleichzeitig sichert der dann vorhandene bereits hohe Ausbaustand erneuerbarer Erzeugung bereits einen sehr hohen Zeitanteil mit 100% erneuerbarem Strom im Netz. Gaskraftwerke kommen immer seltener zum Einsatz und laufen am Ende nur noch wenige hundert Stunden im Jahr.
Es sind mehrere Lösungen vorstellbar für die CO–freie Schließung der verbleibenden kleinen Stromlücken: Man könnte mit Biogas betriebene grosse Gasturbinen errichten, die Betreiber von Windkraftanlagen könnten über Brennstoffzellen in den Windkraftanlagen Energie liefern, viele kleine H2-BHKW könnten hier einspringen und selbst die Rückspeisung aus Brennstoffzellenfahrzeugen in das Netz wäre möglich. Was sich durchsetzt möge am Markt entschieden werden.
Die CO2-Emissionen in dieser 3. Phase sind bereits sehr gering, da die fossile Erzeugung nur noch in den immer kürzer werdenden Engpasszeiten erfolgt, bis letztendlich keine CO2 erzeugenden Anlagen mehr in Betrieb sind.