1994

Eine spannende Frage

Es trug sich zu, daß du eine Windmühle mit 250 Kilowatt Leistung an das Stromnetz anschließen wolltest. Also schriebst Du an das Stromnetz und sandtest die technischen Daten, darunter die gewünschte Einspeisespannung, nämlich 20.000 Volt. Alles kein Problem dachtest du, alles berechnet, alles korrekt, und die hohe Spannung ergab sich logischerweise aus der Generatorspannung von 700 Volt, die es nur galt, an die Spannung der Überlandleitung anzupassen.

Das Stromnetz aber antwortete, daß eine Einspeisung nicht möglich sei, denn Abnehmer unter 630 Kilowatt müßten mit 400 Volt angeschlossen werden. Abnehmer? Wieso Abnehmer, fragtest Du zurück, es gehe doch um Einspeisung! Es gäbe da keinen Unterschied, hieß es… und überhaupt, es sei doch kein Problem, man könne ja die 700 Volt Generatorspannung auf 400 Volt heruntertransformieren und dann mit dieser Spannung übergeben. Das Stromnetz würde dann ein zweit Trafostation, kostenpflichtig, danebenstellen und dort auf 20.000 Volt hochspannen.

Dir erschien das nicht nur unsinnig, denn wozu zwei Trafostationen statt einer. Obendrein wären zwei Trafos hintereinander mit ihren großen Spulen ein Schwingkreis, bei dem niemand wissen könne, welche Spannungsschwankungen alles entstehen könnten. Dem Stromnetz waren diese Bedenken fremd. Es hatte sein Handbuch und dort stand, wie Abnehmer anzuschließen seien.

Was nun? Doppelte Kosten, instabiler Anschluß und die bereits ausgelieferte Trafostation verschrotten? Nur weil Einspeiser laut Handbuch nicht existieren und deshalb eben Verbraucher sind? So geht das nicht…

Inzwischen wurde in Sichtweite deiner Mühle sogar eine Anlage mit doppelter Leistung angeschlossen, großer Bahnhof, Sekt und viele Gäste vom Stromnetz und sogar der Umweltminister. Und ach wie spannend – die Mühle erzeugte auch 700 Volt, wandelte in einem ersten Trafo auf 400 Volt und das Stromnetz hatte einen zweiten Trafo danebengestellt und formte auf 20.000 Volt um. Sechs Monate später wurde die Mühle demontiert: die Probleme mit dem Schwingkreis ließen die Anlage kaum laufen, naja und außerdem war sie zu laut.

Das Stromnetz aber ließ sich Dich über ein halbes Jahr warten, bis es endlich den Anschluss über einen Trafo direkt zuließ und diese Genehmigung war alles andere als freiwillig. Erst der Nachdruck aus Umwelt- und Wirtschaftsministerium, Kartellamt und Presse, organisiert von einem guten Freund, machte dem Stromnetz klar, das es eine neue Richtung gab, nämlich Einspeisung statt Verbrauch. Und so speist die Mühle noch heute ein, Jahrzehnt für Jahrzehnt mit viel Energie und hoher Spannung.

Wie sagt der Elektriker? Kein Strom ohne Spannung!

Hier einige Zeitungsartikel aus 1993 dazu. 

Spannend zu lesen ist die fortwährende Rechtfertigung der EMO darin, dass die Antragsteller ja nicht richtig beantragt hätten und es ohnehin zuviele Anträge auf Netzanschluß gäbe. Zum Glück hat das Kartellamt dann richtig enschieden und diesen Unfug beendet.

Die Bar in der Mühle

Wer Strom erzeugt oder verbraucht, möchte wissen, wie viel, klar. Jeder weiß, dafür gibt es Stromzähler. Du planst deine ersten Mühlen, denkst natürlich auch daran und siehst einen Platz für zwei Zähler vor: je für Erzeugung und Verbrauch. Du stauntest aber nicht schlecht, als die Kollegen vom örtlichen Energieversorger dann gleich zwei Zählerschränke mit je vier Zählern verlangen. Was da alles gezählt werden soll: Wirkarbeit, Blindarbeit, Leistung und Blindleistung und das alles in beiden Richtungen… 3000 Mark für so einen Schrank ist viel Geld, aber du willst schnell in Betrieb gehen und läßt sie schweren Herzens einbauen.

Es kommt der Tag des Zählereinbaus und die Kollegen vom Energieversorger kommen mit drei Zählern. „Warum nur drei?“, fragst du. Nun, heißt es, die würden genügen. Eingebaut, verplombt und fertig. Ein Zählerschrank blieb völlig leer, 3000 Mark umsonst.

„Schade!“, denkst du, „Was machst du nun damit?“

Es ist früh am Morgen, Januar 1994, die Inbetriebnahme steht an. Eine ganze Handvoll Kollegen der Energieversorgung ist da, um alles zu prüfen: Trafostation, Erdung, Schutz… und natürlich die Zähler in ihren verglasten und verkabelten Wandschränken. Doch sieh, was ist denn da in dem einen Zählerschrank? Eine Reihe Gläser, fein aufgereiht, und eine Flasche Kräuterlikör?

„Ja“, erklärst du, „das ist unsere Mühlenbar und nun sind alle zum ersten Mühlentrunk eingeladen!“ Eigenartigerweise wurden bei den nächsten Mühlen nie wieder zwei Zählerschränke verlangt.

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