Verantwortungsvoller Eigenverbrauch

Wo Menschen sich selbst oder gegenseitig mit erneuerbarer Energie versorgen wollen, sollte dies ohne Einschränkungen, Hindernisse und Belastungen möglich sein – ebenso wie jeder Apfel, der aus dem Garten kommt, nicht importiert werden muss.

Mit dem Wegfall der EEG-Umlage wird endlich selbsterzeugter erneuerbarer Strom nicht mehr massiv belastet. In einem nächsten Schritt sollten nur alle Hindernisse wie überflüssige Messeinrichtungen und bürokratische Meldungen abgeschafft werden. Jeder sollte seinem Nachbarn, Mieter oder Vermieter ohne Hindernisse Energie liefern können.

Allerdings aber gibt es immer noch massive Fehlanreize beim Eigenverbrauch: wer z.B. die Hälfte seines Stromes selbst erzeugt, beteiligt sich damit auch nur zur Hälfte an den Kosten der Stromnetze, obwohl er sie weiterhin voll in Anspruch nimmt – denn diese Kosten werden bis auf bei Großabnehmern pro Kilowattstunde und nicht pro Leistung berechnet. Dasselbe gilt für die Bereitstellung gesicherter Leistung – auch sie ist pauschal im Strompreis enthalten.

So entsteht eine Gemengelage aus Vor- und Nachteilen, in welcher die Stromnutzer sich versuchen zu optimieren und das letztlich zu Lasten der Gesamteffizient und der Allgemeinheit.

Eine Frage im Rahmen des Strommarktdesigns, welche durch die hier gemachten Vorschläge gelöst werden kann, lautet also:

Wie kann ein verantwortungsvoller Eigenverbrauch aussehen?

Das Ziel muss sein, dass jeder Eigenverbrauch, egal ob 10 kW oder 1000 MW, auf der einen Seiten vollkommen lasten und bürokratiefrei ist und auf der anderen Seite der Eigenverbraucher keinerlei Lasten oder Kosten der Allgemeinheit aufbürden kann. Nur dann kann der Eigenverbraucher die für sich und alle richtige Lösung finden. Die wesentliche Belastung des Eigenverbrauchs wurde endlich abgeschafft: die EEG-Umlage auf selbst erzeugten und verbrauchten Strom. Was aber ist noch zu ändern?

1. Alle Vorschriften über Messung und Verrechnung für erneuerbaren Stromaustausch zwischen Nachbar, Mietern oder anderen Nutzern, die untereinander Energie über eigene Leitungen austauschen wollen, müssen aufgehoben werden – denn sie sind hier nur kontraproduktiv und unnütz. Wenn Nachbarn oder Mieter ihren Strom über eine eigene Leitung austauschen wollen, so sollen sie das eben so können, wie es ihnen gefällt.

2. Auf der anderen Seite müssen die Vorteile, welche die Eigenversorger noch aus dem Stromsystem beziehen wollen, angemessen kostendeckend von ihnen bezahlt werden: sie müssen also ein festes Netzentgelt pro gesicherter Leistung sowie ein Netzentgelt zahlen.

3. An der Schnittstelle zum öffentlichen Netz müssen Eigenverbraucher einen Fahrplan für Bezug und Einspeisung liefern, denn für sie gilt keinerlei Standardlastprofil mehr, welches man aber für den sicheren Betrieb des öffentlichen Strommetzes benötigt. Für Eigenverbrauchslösungen in Kombination aus Erzeugung und Speichern ist dies aber mit hinreichender Genauigkeit Stand inzwischen der Technik, zumindest „day-ahead“ – und zwar auch für Haushaltskunden.

4. Hinter der Schnittstelle zum öffentliche Netz, im privaten Bereich, muss sich der Eigenerzeuger allerdings komplett selbst um den Netzbetrieb kümmern. Diese Funktion übernimmt die zentrale Steuerung des Eigenverbrauchers, welche Bezug, Einspeisung, Eigenerzeugung und Selbstverbrauch permanent erfasst, eine Prognose erstellt und diese zugänglich macht. Inzwischen ist es möglich, dass jeder einzelne Stromverbraucher bis hin zur letzten Glühlampe seinen Momentanverbrauch permanent an die Steuerung übermittelt.

Wie rechnet sich das dann?

Wie hoch müsste ein festes Netzentgelt sein? Für Haushalte lässt es sich aus den derzeitigen arbeitsbezogenen Netzentgelten abschätzen: In den grob 3000 kWh privatem Stromverbrauch pro Haushalt sind derzeit ca. 200 € Netzentgelt für eine Netzanschluß mit standardmässig 14,5 kW enthalten. Das entspricht etwa 14 €/kW im Jahr. Eine Umstellung auf Netzentgelte, welche auch die Transportentfernung berücksichtigen, würde langfristig die Kosten nur senken.

Mit Hilfe eines Energiespeichers von 10 kWh (der auch aus dem Netz nachladbar wäre) lässt sich die Anschlussleistung aber auf 1 kW beschränken, so dass fast 200 € jährlicher Ersparnis den Speicherkosten von 1000 € gegenüberstehen. Bei 10-jähriger Nutzung entsteht so eine Ersparnis von 100 € jährlich. Die freie Netzkapazität stünde anderswo für E-Mobilität oder Wärmepumpen zur Verfügung.

Die Höhe des festen Leistungsentgeltes für gesicherte Leistung ist schwieriger abzuschätzen und wäre über Ausschreibungen zu ermitteln. Ein Wert in etwa gleicher Höhe des festen Netzentgeltes wäre dabei nicht überraschend. Maßstab könnten Notstromaggregate auf Pflanzenölbasis sein, welche für 500-1000 €/kW erhältlich sind, woraus sich, die Wartung vernachlässigend, als Maximalabschätzung jährliche Kosten von 25-50 €/kW ergeben. Haushaltkunden, welche über einen Energiespeicher verfügen, benötigen aber idealerweise nur 3000 kWh Jahresstromverbrauch / 8760 Std. im Jahr = 0,34 kW gesicherte Leistung, was also 5 – 15 € jährlich kosten würde. Dazu kämen Energieträgerkosten in Höhe von maximal 20 ct/kWh (z.B. erneuerbar hergestellter Wasserstoff), was für 500 Betriebsstunden und 0,34 kW, also 170 kWh, 34 € ergibt. Insgesamt könnte man jährlich 50 € für die gesicherte Leistung eines Haushaltes erwarten.

Wer natürlich sicherstellen möchte, dass trotz elektrischem Warmwassererhitzer nach dem Duschen immer noch genug Energie zum Kochen eines grossen Menüs vorhanden ist, sollte mehr gesicherte Leistung oder einen grösseren Akku erwerben.

Wie oben gezeigt, spart der Ersatz von Netzanschlusskapazität durch einen Energiespeicher bereits Geld. Üblicherweise ist der Energiespeicher mit einer Solaranlage verbunden, welche den Strom ebenfalls günstiger erzeugt als der Stromkauf kosten würde. Die Leistungsprognose ist bei einigen Anbietern bereits in der Software enthalten und verursacht im Grunde keine zusätzlichen Kosten, so daß selbst trotz der Kosten für gesicherte Leistung eine Ersparnis gegenüber reinem Netzbezug erzielbar ist. Offenbar lohnt sich verantwortlicher Eigenverbrauch sowohl für den Verbraucher, welcher Geld spart, als auch für die Allgemeinheit, welche weniger in Netzausbau und Leistungsvorhalten investieren muss. Natürlich setzt das Modell Speicher für Strom und, sofern die Wärme aus Strom gewonnen werden, auch für Wärme voraus – denn letztlich verlangt jeder erneuerbare Versorgung ausreichend Speicher.

Verantwortungsvoller Eigenverbrauch kann also ein wertvoller Bestandteil der Sektorkopplung werden, insbesondere wenn er auf Heizung und Mobilität weitergedacht wird und sich Nachbarn vernetzen. Und natürlich funktioniert das auch mit grossen und sehr grossen Leistungen.

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