Wer spart in jeder Stunde genausoviel Geld, wie er ausgibt?

Irrationale Gesetze verhindern die Wasserstoffwirtschaft

Erzeuger erneuerbarer Energie sollen eigentlich immer dann, wenn ein hohes Stromangebot vorliegt, diese Energie möglichst kostengünstig speichern, um sie dann ausserhalb des Strommarktes oder auch für Stromengpässe nutzbar zu machen. Mit Wasserstoff ist das machbar: sobald bei hoher Leistung mehr Energie erzeugt wird, als am Markt gerade nachgefragt, geht diese Energie in die Elektrolyse und steht als Gas zu Verfügung. Ein schöner Nebeneffekt: die Netzanschlüsse der Stromerzeugung können so um bis zu 75% kleiner dimensioniert werden, was die ohnehin zu hohen Netzentgelte endlich entlasten würde. Und Abregelungen gehörten auch der Vergangenheit an.

Was so logisch klingt, ist in Deutschland unmöglich.

Der § 21b Abs. 2 EEG versperrt genau diesen Weg. Er regelt nämlich, dass die verschiedenen Vermarktungsformen in jeder Viertelstunde im gleichen Verhältnis erfolgen müssen: also in jeder Viertelstunde genausoviel Strom einspeisen, wie zu Wasserstoff machen. Verrückt – oder? Wer wird denn in Zeit von Stromengpässen auch noch Wasserstoff herstellen und damit den Blackout provozieren? Und warum sollte bei hoher Erzeugungsleistung Strom in die Netze gedrückt werden, den dort niemand braucht? Es ist tatsächlich so, als würde der Gesetzgeber vorschreiben, in jeder Stunde gleich viel Geld zu sparen wie auszugeben. Die ausgleichende Funktion des Sparen wäre dahin.

Diese starre Proportionalität im Energierecht kennt nur eine Ausnahme: sie entfällt bei Direktlieferung an Dritte in unmittelbarer räumlicher Nähe, welche aber nicht definiert ist, so dass jeder hin in Rechtsunsicherheit fällt.

Der Zwang zur Proportionalität verhindert ein flexibles Reagieren auf Wetter, Netzengpässe und Marktpreise und verhindert die systemdienliche Nutzung erneuerbarer Energie. Er kann und muss dringend abgeschafft werden. Dazu muss mindestens in § 21b Abs. 4 EEG das Erfordernis der „unmittelbaren räumlichen Nähe“ entfallen. Besser aber wäre die generelle Lösung: die Streichung der Proportionalität aus dem Gesetz.

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Was steckt genau dahinter?  § 21b Abs. 1 EEG verlangt, dass EA stets einer Veräußerungsform zugeordnet sind (1. Marktprämie, 2. sonstige Direktvermarktung (=PPA), 3. Mieterstromzuschlag oder 4. Einspeisevergütung). Nach § 21b Abs. 2 EEG darf der in den EA erzeugte Strom auch zu prozentualen Anteilen verschiedenen Veräußerungsformen zugeordnet werden. Dann müssen die „Prozentsätze nachweislich jederzeit“ eingehalten werden. Die anteilige Veräußerung an einen Dritten außerhalb der Marktprämie kann also immer nur ein fixer Anteil der Gesamterzeugung der EA sein.

Bei der Zuordnung zur Direktvermarktung muss die gesamte Ist-Einspeisung viertel­stündlich gemessen und bilanziert werden (§ 21 Abs. 3 EEG). Ein Wechsel der Veräußerungsform – und damit auch der prozentualen Aufteilung – ist nur zum ersten jedes Monats möglich. Das Gesetz verlangt also, dass monatlich im Voraus eine prozentuale Verteilung angemeldet wird, die viertelstündlich („jederzeit“) gemessen und bilanziert wird. Wurde beispielsweise eine Aufteilung von 70% Marktprämie und 30% sonstige Direktvermarktung (z.B. für Belieferung eines Elektrolyseurs) angemeldet, bedeutet dies folgendes: In jeder Viertel­stunde müsste die 70/30 Aufteilung eingehalten werden, also statisch die Aufteilung Vermarktung per Marktprämie und Belieferung der Elektrolyse. Eine solche Fahrweise erlaubt den EA-Betreibern nicht, flexibel auf Erzeugungsspitzen und auf Preissignale zu reagieren.

Eine Ausnahme von dieser Pflicht ergibt sich aus § 21b Abs. 4 Nr. 2 EEG. Danach müssen die genannten Anforderungen nicht eingehalten werden, wenn EA-Betreiber ihren Strom außerhalb des Netzes vollständig oder anteilig an Dritte weitergeben, sofern diese den Strom in unmittelbarer räumlicher Nähe zur Anlage verbrauchen. Die unmittelbare räumliche Nähe ist nicht klar definiert; es ist oftmals zweifelhaft, ob die Anforderung erfüllt ist. Das rechtliche Risiko ist regelmäßig zu groß für substantielle Investitionen.

Die Regelung zur „starren Proportionalität“ in § 21b EEG sollte ursprünglich verhindern, dass sich EA-Betreiber gegen das Stromsystem optimieren, indem sie zwischen der damaligen Einspeisevergütung und der ungeförderten Direktvermarktung je nach Börsenpreis wechseln („Rosinenpicken“, eingeführt als § 33f EEG 2012, Begründung in BT Drucksache 17/6071). Dieses Thema ist mit der Umstellung des EEG auf Marktprämie und Direktvermarktung nicht mehr relevant. Denn sowohl die Vermarktung über Marktprämie als auch über sonstige Direktvermarktung erfolgt nach dem aktuellen EEG über die Direktvermarktung des Stroms – einmal mit, einmal ohne Förderung mit der Marktprämie. Die Einspeisevergütung stellt nur noch eine Ausnahme für besondere Fälle dar (EA unter 100kW, Ausfallvergütung, bestimmte ausgeförderte EA). Einen nachvollziehbaren Grund für die erzwungene starre Proportionalität gibt es also nicht mehr.

Bedarf an Flexibilität und erzeugungsnahen Verbräuchen

Um die schwankende Erzeugung aus EA an den Strombedarf im Netz anzupassen, sind insbesondere erzeugernah flexible Verbraucher in Form von Speichern erforderlich. Zukünftig werden in Zeiten schwacher Strompreise große Strommengen in Elektro­lyseuren und flexiblen Großwärmespeichern genutzt.

Zugleich werden Stromnetze und Netzverknüpfungspunkte nicht für die gesamte installierte EA-Leistung ausgebaut werden können und auch nicht müssen. Es wäre nicht sinnvoll, da die Spitzenerzeugung weit über dem Strombedarf liegen wird bzw. heute schon liegt. Systemdienliche Verbräuche „vor dem Netz“ können diese Strommengen nutzbar machen und den Netz-Ausbaubedarf massiv um eine ganze Größenordnung senken.

Elektrolyseure und andere flexible Verbraucher müssen also erzeugungsnah – und damit idealerweise noch vor dem Netzverknüpfungspunkt, beispielsweise unmittelbar am Umspannwerk – installiert werden. Und sie müssen auch tatsächlich flexibel betrieben werden können. Nur dann können sie zu einer bedarfsgerechten Glättung der Einspeisung erneuerbarer Energien beitragen.

Dabei ist es wichtig, dass die Einspeisung ins Netz weiterhin mit der Marktprämie vergütet werden kann. Denn nur über eine solche verlässliche Absicherung der Finanzierung können die für die Dekarbonisierung des Stromsystems erforderlichen EA gebaut werden. 

Das System der Marktprämie fördert dabei, dass sich EA-Betreiber und Betreiber flexibler Verbraucher tatsächlich systemdienlich verhalten. Denn die Marktprämie errechnet sich auf monatlicher Basis aus dem bei Inbetriebnahme festgelegten Tarif für die einzelne EA („anzulegender Wert“ in ct/kWh) abzüglich des durchschnittlichen, deutschlandweiten Spotmarkt-Wertes des Stroms aus dem Energieträger in dem betreffenden Monat/Jahr (energieträgerspezifischer „Monatsmarktwert“ bzw. zukünftig „Jahresmarktwert“ in ct/kWh). Die sich ergebende Marktprämie ist für jede in dem Monat/Jahr vermarktete kWh gleich. Da der Strom aus den EA über die Direktvermarktung mit dem Spotmarktpreis der jeweiligen Stunde vermarktet wird, hat er für den EA-Betreiber auch jeweils einen unterschiedlichen Wert. D.h. in „teuren Stunden“, wenn es also wenig Erzeugung und/oder hohe Nachfrage gibt, wird der Betreiber den Strom im Netz vermarkten. In „günstigen Stunden“, also regelmäßig bei hoher EE-Erzeugung und/oder geringer Nachfrage, wird er den Strom dann einspeichern, auch wenn für diese Strommenge keine Marktprämie gezahlt wird. 

Gleichermaßen von großer Relevanz ist die Direktbelieferung örtlicher Stromverbraucher, bspw. Industrie- und Gewerbetreibenden, die ihre Produktion flexibel an die verfügbare Erzeugungsleistung anpassen. Diese erzeugungsnahen, flexiblen Verbraucher sollten variabel Strom beziehen können. Ein solches marktliches Instrument stellt eine systemdienliche sowie kosteneffiziente Alternative zum derzeit debattierten Industriestrompreis dar.

Das EEG muss geändert werden

Eine solche systemdienliche flexible Fahrweise mit Strom aus EA in der Marktprämie wird allerdings durch die oben erläuterte erzwungene Proportionalität des § 21b EEG verhindert. Eine gesetzliche Änderung ist daher dringend geboten: 

  • Oberste Priorität hat, dass in Abs. 4 das Erfordernis der räumlichen Nähe entfällt:

(4) Unbeschadet von Absatz 1 können Anlagenbetreiber
1. jederzeit ihren Direktvermarktungsunternehmer wechseln oder
2. Strom vollständig oder anteilig an Dritte weitergeben, sofern
a) diese den Strom in unmittelbarer räumlicher Nähe zur Anlage verbrauchen,
b)
der Strom nicht durch ein Netz durchgeleitet wird und
c) kein Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 in Form der Einspeisevergütung nach § 21 Absatz 1 Nummer 3 oder des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 vorliegt.

  • Die klarste Änderung wäre es, die starre Proportionalität ganz entfallen zu lassen. Dazu könnte Absatz 2 und 3 wie folgt geändert werden:

(2) Anlagenbetreiber dürfen den in ihren Anlagen erzeugten Strom prozentual auf verschiedene Veräußerungsformen nach Absatz 1 aufteilen; in diesem Fall müssen sie die Prozentsätze nachweislich jederzeit einhalten. Satz 1 ist nicht  die Ausfallvergütung und nicht für den Mieterstromzuschlag nach § 21 Absatz 3 anzuwenden.

(3) Die Zuordnung einer Anlage oder eines prozentualen Anteils des erzeugten Stroms einer Anlage zur Veräußerungsform einer Direktvermarktung ist nur dann zulässig, wenn die gesamte Ist-Einspeisung der Anlage in viertelstündlicher Auflösung gemessen und bilanziert wird.

Der Vorschlag der flexiblen direkten Belieferung passt zudem in die Pläne der Regierung, wie sie im Koalitionsausschuss im März 2023 beschlossen und in der Wind-an-Land-Strategie dargestellt wurden: „Windenergie an Land sollte zeitnah zugebaut werden, um insbesondere den Bedarf von Industrie und Gewerbe zu decken, auch hierfür sind kurzfristig zusätzliche Flächen bis Ende 2027 erforderlich. […] Auf den o.g. Flächen sollen Windenergieanlagen für die direkte Belieferung der benachbarten Unternehmen errichtet werden können, ebenso soll auch der Eigenverbrauch ermöglicht werden.“

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