Die Gesetze sprechen gegen eine Wasserstoffwirtschaft

Veröffentlicht in der Zeitschrift des DVGW als Editorial

Seit bald zehn Jahren erzeugt ENERTRAG Windgas, also Wasserstoff direkt aus Windenergie. Technische Probleme gab es dabei nie, die Anlagen laufen von selbst. Mit dieser Technologie schneiden wir die Fluktuationen vollständig aus der Erzeugung heraus und speichern die entsprechenden Energiemengen einfach ein. So können wir bedarfsgerecht Strom liefern und stellen mit dem Wasserstoff gleichzeitig einen Energieträger für die Dekarbonisierung von Mobilität, Wärme und Industie bereit. Klingt perfekt.

Warum aber gibt es bei der Speicherung erneuerbarer Energien in Wasserstoff aber noch immer keine weiteren Großanlagen? Warum wird nicht investiert? Warum werden weiterhin viele Milliarden Kilowattstunden abgeregelt und gleichzeitig Redispatchkosten im Milliardenbereich erzeugt? Wenn doch klar ist, dass das Stromsystem an seine Grenzen gestoßen ist und ohne Speicher nicht funktioniert, warum funktioniert „Nutzen statt Abriegeln“ nicht? Und wenn bekannt ist, dass das Gasnetz der größte Energiespeicher ist, den wir haben und der nicht erst teuer gebaut werden muss – warum nutzen wir das Gasnetz nicht zur Speicherung von Wasserstoff aus erneuerbaren Energien? Warum ist es nicht möglich, mehr als 2% Wasserstoff in Gasnetze einspeisen, welche von 30 Jahren noch über 50% Wasserstoffanteil transportierten? Und warum haben sich die regulatorischen Randbedingungen für Sektorkopplung in den letzten Jahren dramatisch verschlechtert?

Im Grunde liegt das Problem darin, dass wir gewohnt sind, die Energiesektoren völlig getrennt zu leben und zu regeln. Während der Stromsektor massiv unter Dekarbonisierungsdruck steht, gilt das für alle anderen Sektoren bislang nicht. Dabei steht die Stromproduktion nur für ein Drittel der CO2-Emissionen.

Wenn aber Öl und Gas weiter munter importiert werden, wird es bei der Energiewende kein Stück mehr weitergehen. Der nächste Schritt muss vielmehr die Durchdringung aller Sektoren mit erneuerbare Energie sein. Dafür müssen die Spielregeln für alle Energiebereiche gleich sein. Dieser auch „level-playing-field“ genannte Ansatz ist grundlegend und umfasst folgendes:

– Gleiche Abgaben und Umlagen auf allen Energiearten pro deren CO2-Emission

– Abschaffung aller Abgaben und Umlagen sowie regulatorischen Hemmnisse bei der Umwandlung erneuerbarer Energie in speicherbare Energieträger

– Vollständige Technologieoffenheit sämtlicher Fördersysteme, solange sie überhaupt noch erforderlich sind

– grundlegende Änderung des Fördersystems nach dem EEG von „100% der Energie muss in das Umlagesystem“ hin zu „die Fluktuation muss in die Speicher“

– Abschaffung unnötiger technologischer Grenzen, insbesondere schrittweise Aufhebung der Begrenzung der Einspeisung von Wasserstoff in Gasnetze

Wir liegen weit hinter unseren technischen Möglichkeiten zurück. Power-to-Gas und Power-to-Heat könnten sofort hochskaliert werden, wenn die technischen und regulatorischen Rahmenbedingungen dafür geschaffen werden. Beide Technologien sind die einzigen bekannten großtechnischen Flexibilisierungsoptionen für unser Energiesystem. Ohne sie geht es einfach nicht.

Reallabore sind nicht erforderlich, um Technologien dafür zu entwickeln. Diese gibt es längst. Der Sinn von Reallaboren kann nur darin bestehen, die vielen rechtlichen und regulatorischen Hürden für die Sektorkopplung ans Tageslicht zu fördern, bewußt zu machen und so schnell wie möglich Änderungen anzuregen. Die Partner aus Energiewirtschaft, Industrie und Kommunen stehen dafür bereit. Und die Technik ist längst reif für Wasserstoff.

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