Der Weg zur Versorgungssicherheit mit erneuerbarer Energie

Der Weg bis 2050

Eine kurze Zusammenfassung dessen, was auf ENERTRAG.org weit umfassender beschrieben ist.

Im Jahr 2050 wird im deutschen Energiesystem kein CO2 mehr emittiert. Der Energiebedarf wird bei nur noch etwa 1300 TWh liegen. Dieser starke Rückgang ergibt sich mit dem Übergang zu einem hocheffizienten erneuerbaren Energiesystem durch den Wegfall der enormen Verluste des fossilen Energiesystems. Dieses hat allein ca. 1000 TWh Verluste aus Kühltürmen- und anlagen, aus Schornsteinen sowie dem Kraftwerkseigenverbrauch. Dazu kommen ca. 500 TWh an Verlusten aus den Auspuffen der Fahrzeuge und ca. 100 TWh an Schornsteinverlusten der Heizsysteme. Der Wegfall dieser Verluste reduziert den Energiebedarf von 3.600 TWh auf ca. 2.000 TWh. Durch Wärmedämmung lassen sich weitere ca. 300 TWh Verluste sparen. Und letztlich können ca. 400 TWh durch höhere Effizienz der Industrieprozesse sowie weniger Straßen- und Luftverkehr eingespart werden, so dass 1.300 TWh Bedarf verbleiben.

Die Erzeugung wird etwa je zur Hälfte aus Windkraft und Solarenergie bestehen, wobei 100 TWh über Wärmepumpen der Umwelt entnommen werden. Demzufolge sind etwa 600 TWh Wind- und Solarstrom erforderlich. Biomasse und Wasserkraft können in erster Näherung vernachlässigt werden, insbesondere da Biomassenutzung sich auf Reststoffverwertung beschränken wird und kein Anbau von Biomassepflanzen mehr erfolgen wird.

So verdoppelt sich einerseits die Stromerzeugung gegenüber heute, aber gleichzeitig sinkt der Primärenergiebedarf auf ein Drittel.

Wieviele Windenergieanlagen sind für die Erzeugung von 600 TWh erforderlich? Heute errichten wir Maschinen mit ca. 140 Meter Rotordurchmesser bei 3,5 MW Leistung und einer Jahresproduktion von 12 Mio. kWh. Anlagen mit 166 Meter Rotor, 5,5 MW Leistung und einer Jahreserzeugung an Land von ca. 20 Mio. kWh sind bereits verfügbar und 8-MW-Anlagen mit 200 Meter Rotor bei 30 Mio. Ertrag sind bereits vorstellbar. Demzufolge werden 20.000 bis 30.000 Windkraftanlagen benötigt, also möglicherweise weniger als heute in Betrieb sind.

Je nach Anordnung der Windenergieanlagen und ihrer gegenseitigen Abschattung lassen sich pro Quadratkilometer 50-100 Mio. kWh Strom gewinnen. 600 TWh erfordern also 6.000 bis 12.000 Quadratkilometer Fläche, also 2-4 T % der Fläche Deutschlands, wobei nur ca. 0,5% davon auch tatsächlich bebaut werden, 99,5% sind reine Abstandsflächen, also Flächen auf denen keine Windkraftanlagen gebaut werden können, welche aber land- oder forstwirtschaftlich voll genutzt werden können.

Für die Erzeugung von 600 TWh Solarstrom sind mit heutiger Technik mindestens 600 GW PV mit einer Erzeugungsfläche von 6000 Quadratkilometern erforderlich, was etwas über 10% der Siedlungs- und Verkehrsflächen beträgt. Man sieht leicht, dass selbst bei Ost-West-Ausrichtung der Photovoltaik mit entsprechend mehr Flächenbedarf aber besser Tagesverteilung der Erzeugung die Überbauung eines Teils der bereits versiegelten Flächen hinreichend wäre. Insofern ist Freiflächen-PV technologisch nicht erforderlich und könnte regulatorisch vermieden werden – allzumal gerade PV am Besten in unmittelbarer Nähe des Stromverbrauches errichtet werden sollte.

Die jährlich erforderliche Zunahme der Windenergieerzeugung ergibt sich aus der heutigen Erzeugung von 125 TWh und den anzustrebenden 600 TWh zu 16 TWh jährlich, was bei 3000 Volllaststunden grob 5 GW entspricht. Dazu kommt der Ersatz alter Anlagen durch neue in Höhe von ca. 3% der vorhandenen Erzeugung, also heute 4 TWh steigend auf 20 TWh in 2050.

Für Photovoltaik folgt ausgehend von heute 45 Mrd. Erzeugung analog ein Zubau von 18 TWh, also 18 GW, jährlich und ein Ersatzneubau welcher aufgrund der langen Lebenszeit von PV von heute Null möglicherweise nur auf 10 TWh pro Jahr ansteigen wird.

Eine aktuelle Herausforderung besteht darin, den Wegfall der 75 TWh Kernkraft (2019) kurzfristig durch erneuerbare Erzeugungskapazitäten zu ersetzen. Dies erscheint nur durch eine massive Beschleunigung des Windenergieausbaus auf fast 10 GW pro Jahr möglich – einen Wert, welche in Deutschland vor einigen Jahren bereits erreicht wurde.

Der Übergang zu einer rein elektrischen Erzeugung des gesamten Energiebedarfes erfordert gleichzeitig rechtliche Rahmenbedingungen dafür, den Strommengen gleichberechtigt in allen Sektoren zu nutzen und dafür ausreichend Speicher bereitzustellen.

Wie erfolgt die Energiespeicherung?

Wasserstoff wird das zentrale Speichermedium eines erneuerbaren Energiesystems. Ein Energiesystem, das auf der Erzeugung von Wind- und Solarstrom sowie auf der anteiligen Energiespeicherung in Wasserstoff basiert, besitzt einen Wirkungsgrad von fast 80 Prozent wie folgendes beispielhaftes Energieflussbild für 2050 zeigt:

Aus 1.200 TWh Wind- und PV-Strom sowie 100 TWh Umweltwärme werden die rechts dargestellten Verbräuche sowie 210 TWh Verluste, welche 18% der Erzeugung betragen. Fast 40% der Erzeugung dienen der Wasserstoffgewinnung, welche damit gleichzeitig die Schwankungen der Erzeugung ausgleicht. Ca. 5% der seltenen Erzeugungsspitzen werden in Windspeicherheizungen zwischengespeichert. Etwa 55% der Stromerzeugung werden zeitgleich verbraucht. Selbst wenn man die hier nicht dargestellten restlichen Verluste der E- und H2-Mobilität noch hinzurechnet, hat ein solches Energiesystem einen beachtlichen Wirkungsgrad von fast 80%.

Folgende Grafik zeigt, dass um 2030 die Residuallast, welche für den Fluktuationsausgleich erforderlich ist, immer noch fast 100% des (klassischen) Strombedarfs erreicht, aber deutlich seltener als heute abgerufen wird und nur noch 32% zur Stromerzeugung beiträgt. Für eine solche Fahrweise sind nur Gaskraftwerke geeignet.

Grün sind die Energienmengen für Sektorkopplung/Speicher.

Bis 2050 wird der zeitliche Verlauf dann etwa wie folgt dargestellt aussehen:

Die Residuallast wird maximal 10% zur gesamten Erzeugung beitragen. Ihre Leistung wird dabei wie heute ca. 80 GW betragen. Da diese Leistung sehr selten abgerufen wird, ist es sinnvoll, hierfür Anlagen zu nutzen, welche sowieso bereits existieren – also z.B. Stromrückspeisung aus Brennstoffzellenfahrzeugen sowie aus Brennstoffzellen-Wärmepumpenkombinationen. Gaskraftwerke sind hierfür zwar technisch geeignet, aber voraussichtlich zu teuer. Der Anteil der (größtenteils) einzuspeichernden Energiemengen für Sektorkopplung erreicht in dem abgebildeten Zeitraum (ein Monat) hier 161%. Über das ganze Jahr gerechnet liegt dieser Wert bei etwa 100%.

Die Energiespeicherung in flüssigen Kohlenwasserstoffen ist hier bewusst zur Vereinfachung nicht dargestellt, da sich für Schiffe auch direkter Windantrieb anbietet und der Flugverkehr wahrscheinlich deutlich zurückgehen wird. Die hierfür erforderlichen Mengen könnten die notwendige Erzeugung leicht erhöhen.

Eine Methanisierung des Wasserstoffs wird ebenfalls bewusst nicht unterstellt, da Methan nur mit deutlich höheren Verlusten als Wasserstoff energetisch nutzbar ist. Ein Methanpfad könnte die Erzeugung leicht um 200 TWh ohne Not erhöhen und entsprechend mehr Verluste mit sich bringen.

Systemstabilität durch Verbundkraftwerke

Die Systemstabilität im elektrischen System besteht in erster Linie aus dem Gleichgewicht zwischen Erzeugung und Verbrauch. In einem elektrischen System gibt es kaum Speicher. Solche werden nur für die Primärregelung eingesetzt und es werden Akkumulatorspeicher sein.

Das wichtigste Stabilitätselement eines erneuerbaren Energiesystems entsteht mit der Sektorkopplung durch Wasserstofferzeugung und Wärmespeicher in der Nähe der erneuerbaren Stromerzeugung. Sie fangen die Fluktuationen der Erzeugung ab, so dass Strom bedarfsgerecht und planbar ins Netz gespeist wird. Diese flexiblen Lasten stellen die speicherbaren Energieträger für Mobilität, Wärme und Industrie bereit. Für den Transport der Wasserstoffmengen ist das heutige Gasnetz bereits weitgehend ausreichend dimensioniert.

Während in über 8000 Std. des Jahres die Stromerzeugung den (klassischen) Strombedarf deutlich übersteigen wird und dementsprechend Energie einzuspeichern ist, verbleiben um 2050 etwa 500 zu überbrückende Stunden, in denen die Energieerzeugung durch erneuerbare Energien unter dem Energiebedarf liegt. Wie oben bereits erwähnt, erscheinen Brennstoffzellen als idealer Stromlieferant für diese Zeit.

Rein von den Energiemengen her wäre damit ein stabiles Energiesystem möglich. Allerdings muss noch die Frage beantwortet werden, wie ein solches System stabil gesteuert werden kann. Das Internet könnte diese Aufgabe nur übernehmen, wenn es absolut ausfallsicher wäre, was aber nicht der Fall ist. Insbesondere bei einem Blackout infolge von Unwetter oder anderen kritischen Ereignissen stünde auch kein Internet mehr zur Verfügung.

Für die Neustart des Energiesystems nach einem Blackout sind Verbundkraftwerke unabdingbar. Dabei handelt es sich um direkt (ohne öffentliches Netz) miteinander verbunden Energieanlagen, umfassend Erzeugungsanlagen (Wind, Solar), eigenes (nicht redundantes) 110-kV-Kraftwerksnetz und Steuerleitungen (Glasfaser) sowie ebenfalls direkt an das Kraftwerksnetz angeschlossene Großverbraucher als zuschaltbare Lasten (Elektrolyseure und Windwärmespeicher). Mit Hilfe von Primärregeleinheiten aus Akkumulatoren ergänzt durch Brennstoffzellen kann ein Verbundkraftwerk einerseits stabil am Netz gefahren werden. Andererseits kann mit Hilfe der Akkumulatoren auch nach einem Blackout ein stabiler Inselbetrieb im Verbundkraftwerk und ein Lastgleichgewicht zwischen Erzeugung und Elektrolyse bzw. Windwärmespeichern hergestellt werden. Da Verbundkraftwerke eine Leistung im GW-Bereich aufweisen, sind sie auch in der Lage, die Spannung im europäische Verbundnetz nach einem Blackout wieder aufzubauen. Dazu ist lediglich noch eine direkt an die Steuerleitungen angeschlossene Warte mit ausreichender Notstromversorgung erforderlich.

Die Notwendigkeit von Verbundkraftwerken ergibt sich neben dem Systemwiederaufbau aus mehreren weiteren Gründen: sie können am einfachsten gut planbare Leistung ohne Fluktuation bereitstellen und die für sie erforderlichen Netzausbaukosten sind ein Vielfacher geringer als ein Ausbau der öffentlichen redundanten Versorgungsnetze. Und sie können Frequenzhaltung, Spannungshaltung, und Blindleistungsbereitstellung übernehmen. Übrigens sorgt allein die räumliche Ausdehnung eines Verbundkraftwerks über bis zu 50 km für eine verhältnismäßig gleichmäßige Einspeisung in das Verbundnetz.

Gesicherte Leistung

Zu Zeiten, in denen der Strombedarf nicht durch zeitgleiche erneuerbare Erzeugungsanlagen gedeckt werden kann, ist gesicherte Leistung erforderlich. Das heutige Lastband schwankt zwischen 30 und 80 GW. Unter der Annahme, dass dieser klassische Strombedarf etwa konstant bleiben wird, werden etwa 10% der installierten erneuerbaren Erzeugungsleistung des Jahres 2050 (800 GW) als gesicherte Leistung benötigt.

Um diese gesicherte Leistung CO2-frei zu erbringen, ist ein Wettbewerb der besten Lösungen sinnvoll. Dieser könnte dadurch entstehen, dass Betreiber beim Neubau von Erzeugungsanlagen einen Teil gesicherter Leistung bereitstellen müssen. Ein Startwert von 1% der Nennleistung über 24 Stunden würde anfangs genügen, der bis 2050 auf 5-10% über 2-4 Wochen erhöht wird. Wenn es parallel gelingt, die maximale gesicherte Leistung unter 80 GW zu senken, ist weniger erforderlich.

Wie im Energieflussbild oben gezeigt, werden 2050 etwas über 100 TWh für die Stromerzeugung aus gesicherte Leistung erforderlich sein. Dies entspricht knapp 10% der gesamten Erzeugung und also der Erzeugung von 3000 Windkraftanlagen und 600 Quadratkilometern PV entspricht. Die Energie wird primär in Wasserstoff gespeichert. Die Rückverstromung erfolgt maßgeblich über Brennstoffzellen.

Ein Teil der Brennstoffzellen könnte auch in Verbundkraftwerken installiert werden, beispielsweise direkt an Windenergieanlagen. Da diese Brennstoffzellen aber selten genutzt werden, wird diese Einsatz sich auf die Erfordernisse des Systemwiederaufbaus beschränken. Günstiger ist wie oben gesagt die Nutzung von Brennstoffzellenfahrzeugen und Brennstoffzellen-Wärmepumpen-Kombinationen.

Sollte wider Erwarten eine Entwicklung preisgünstiger Brennstoffzellen nicht stattfinden, käme zur Not Biogas zur Überbrückung von Engpasszeiten zum Einsatz. Dazu müssten die gesamten Biogasmengen im Gasnetz gespeichert und über Gasturbinen effizient genutzt werden. Da die Herstellung von Brennstoffzellen für 50 €/kW jedoch durchaus machbar erscheint, ist das Szenario „Gaskraftwerke“ durchaus unwahrscheinlich.

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